In 2018 erschütterte einer der schlimmsten Amokläufe die USA, als in Parkland, Florida, ein 19-jähriger Schütze 17 Menschen – 14 Schüler und drei Lehrkräfte – an einer Highschool tötete. Weitere Personen wurden verletzt.
Die Eltern eines verstorbenen Schülers reagierten – entschieden sich dabei aber für eine ungewöhnliche Aufarbeitung: Mit ihrem Videospiel "The Final Exam" soll nicht nur die brutale Realität von Schulmassakern gezeigt, sondern auch für strengere Waffengesetze gekämpft werden.
Spieler und Spielerinnen schlüpfen in die Rolle von Schülern, die vor einer Schiesserei flüchten müssen. Dabei müssen sie Sicherheitsübungen wie das Errichten von Barrikaden, das Verstecken in Spinden und das unauffällige Kriechen aus der Schule absolvieren.
Die einzige Möglichkeit zu überleben, besteht darin, fünf in der Schule versteckte Gesetzesentwürfe zur Waffenkontrolle freizuschalten, bevor man den Ausgang erreicht.
Es bleiben den Spielern zehn Minuten, um aus dem Gebäude zu fliehen – eine Anspielung auf die Tatsache, dass ein Amoklauf an einer Schule im Durchschnitt zehn Minuten dauert.
Das Spiel ist frei von blutigen Szenen, Gewalt, Waffen und Blut. Der Fokus liege nämlich darauf, kritisch über Waffenkontrolle und Sicherheit in der Gesellschaft nachzudenken und sich für Veränderung einzusetzen. Gleichzeitig soll es dem Vorurteil entgegenwirken, dass Videospiele die Hauptursache für Schulmassaker seien.
So heißt es auf der offiziellen Webseite von "The Final Exam": Die Räume im Spiel repräsentierten die realen Schrecken von Hunderten Schulen, "in denen es zu Massenschießereien gekommen ist – Orte, von denen versprochen wurde, dass sie für Kinder sicher sind." In diesem Spiel und im wirklichen Leben seien es Waffenkontrollgesetze, die schließlich den Schlüssel zum Überleben darstellten.
Wie sinnvoll sind das Spiel und der damit verbundene Perspektivenwechsel? "Grundsätzlich lehrreich", sagt Dirk Baier, Experte für Gewaltprävention und Extremismus an der ZHAW. Dennoch sieht er das Spiel auch kritisch.
Einerseits könne das Nacherleben der Opferperspektive für manche Spieler ein "Aha-Erlebnis" sein – sowohl emotional als auch kognitiv. Gerade im US-amerikanischen Kontext sei dies lobenswert, denn: "Schusswaffengewalt ist eine der häufigsten Todesursachen unter Jugendlichen in den USA."
Dass Computerspiele das Meinungsklima zur Waffengesetzgebung maßgeblich beeinflussen können, bezweifelt Baier hingegen. "Das Erleben von Todesangst – auch wenn nur in einem Spiel – kann vor allem jüngere Schüler belasten", erklärt er und fügt hinzu: "Eine nachhaltige Einstellungsänderung ist nur durch intensives Spielen möglich – hier also kaum gegeben."
Baiers Fazit: "Die Idee hinter dem Spiel ist lobenswert und ein Schritt in die richtige Richtung. Doch für eine wirklich überzeugende Amokprävention bedarf es einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Argumenten dafür."