Mitten in der Brutzeit

Hecke in Wien vernichtet – und Vogelnester gleich mit

In der Reichsapfelgasse wurde eine Hecke gerodet. Bauarbeiter fanden zwei leere Nester, laut einer Anrainerin aber auch eines mit Eiern.
Christine Ziechert
17.07.2025, 06:00
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben

"Ich bin mit den Vögeln eingeschlafen und wieder aufgewacht. Jetzt herrscht im wahrsten Sinne des Wortes Todesstille", berichtet Anne Eck (38). Die Tierrechts-Aktivistin und Musikerin wohnt in der Reichsapfelgasse (Rudolfsheim-Fünfhaus) – gegenüber einer Volksschule.

Und diese muss saniert werden. Um Platz für die Baugerüste zu schaffen, wurde daher am 9. und am 10. Juli eine rund 40 Meter lange, dichte Hecke gerodet: "Diese Hecke war ein reger Lebensraum für viele Vögel, die hier auch gebrütet haben. Die Tiere sind nun verwirrt und suchen nach ihrem Rückzugsort. Viele Anrainer – auch ich – haben sich um die Vögel gekümmert, sie zum Beispiel im Winter mit Meisenknödel gefüttert", ist Eck entsetzt.

Arbeiter fanden ein Nest mit Eiern

Es wurde aber nicht nur der Lebensraum der Tiere vernichtet, Arbeiter fanden auch Nester: "Ich habe zwei Nester gesehen, die auf den Fensterbrettern der Schule lagen. Ein Arbeiter hat mir erzählt, dass sie auch eines mit Eiern gefunden hätten. Als ich es sehen wollte, war das Nest aber nicht mehr auffindbar", berichtet die 38-Jährige.

Was die Tierrechts-Aktivistin besonders ärgert: Bereits im April hatte sie bei der Bezirksvorstehung angefragt, ob die Hecke wegkommt: "Mir wurde dann von der zuständigen MA 56 (Wiener Schulen) schriftlich versichert, dass die Hecke bestehen bleibt." Doch vor kurzem rückten die Arbeiter mit Motorsäge und Rodungsbescheid (der MA 56) an und machten die Hecke dem Erdboden gleich.

Hecke musste neuem Sicherheitskonzept weichen

Auf "Heute"-Anfrage, warum die Hecke trotz anderslautender schriftlicher Information doch entfernt wurde, erklärt eine Sprecherin der MA 56: "Die Situation hat sich durch die vorangeschrittenen Planungen und die erarbeiteten Sicherheitskonzepte verändert. Um die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten, wurden umfassende Maßnahmen ergriffen."

Eine davon besteht darin, den gesamten Gehsteig in unmittelbarer Nähe zur Baustelle zu verkleiden: "Um die Kinder sowohl vor möglichen Gefahren von der Baustelle als auch vor ungünstigen Witterungsbedingungen zu schützen", heißt es. Eck kann dieses Argument nicht nachvollziehen: "Ich verstehe, dass sich Baustellenkonzepte ändern. Das Baugerüst wäre sich locker vor der Fassade ausgegangen. Dass man gezwungen ist, dafür die Hecke zu roden, erschließt sich mir nicht."

„Es geht hier um eine tierschutzrechtliche Verantwortung“
Anne Eckist über die Zerstörung der Hecke entsetzt

Die 38-Jährige ortet zudem einen Verstoß gegen das Naturschutzgesetz, da die Hecke mitten in der Brutzeit zerstört wurde: "Es geht hier um eine tierschutzrechtliche Verantwortung. Einerseits will man die Stadt grüner machen, andererseits wird hier so vorgegangen. Das nehme ich nicht hin." Eck setzte alle Hebel in Bewegung, wandte sich an die Bezirksvorstehung, die MA 22 (Umweltschutz), die Wiener Umweltanwaltschaft und Tierschutz Austria.

Unterstützt wird sie dabei von der Grünen Umweltsprecherin Tina Wirnsberger. "Viele Vogelarten brüten bis zu dreimal in der Hauptbrutzeit. Das heißt: Auch wenn 'nur' leere Nester in einer Hecke sind, wie das hier der Fall war, dann bedeutet die Zerstörung dennoch, dass man den Vögeln damit die Möglichkeit nimmt, hier noch eine oder zwei weitere Bruten großzuziehen und damit in den Bestand eingreift", meint Wirnsberger.

Tina Wirnsberger von den Wiener Grünen unterstützt Anrainerin Anne Eck.
Grüne Wien/Karo Pernegger
„Das Wiener Naturschutzgesetz untersagt die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern“
Tina WirnsbergerUmweltsprecherin der Wiener Grünen

"Anders als in Deutschland gibt es in Österreich zwar kein generelles Verbot für den Hecken- und Baumschnitt in der Hauptbrutzeit, aber das Wiener Naturschutzgesetz untersagt die absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern. Ich habe die MA 22 ersucht zu prüfen, ob hier ein Verstoß gegen das Wiener Naturschutzgesetz vorliegt. Langfristig braucht es dringend wirksame Hebel, nicht erst dann aktiv werden, wenn schon etwas passiert ist, sondern im Vorfeld zu verhindern, dass Natur vernichtet und Vögel beim Brüten gestört werden", so Wirnsberger.

Laut MA 56 ging die Behörde korrekt vor, ein Sachverständiger wurde kurz vor der Rodung beauftragt, die Hecke zu besichtigen: "Es konnten keine Nester mit brütenden Vögeln vorgefunden werden." Zudem sei eine neue Bepflanzung vorgesehen.

Kein Verstoß gegen Naturschutzgesetz

Auch die MA 22 (Umweltschutz) erklärt auf "Heute"-Nachfrage, dass kein Verstoß gegen das Wiener Naturschutzgesetz nachgewiesen werden kann: "Uns wurden von den Schnittmaßnahmen lediglich Fotos von betroffenen Nestern übermittelt. Nach Beurteilung unserer Sachverständigen für Artenschutz ist das Nistmaterial vertrocknet, und es sind keine Federn, Kotspuren oder Eierschalen vorhanden. Nach Einschätzung der Sachverständigen ist davon auszugehen, dass es sich dabei nicht um aktiv bebrütete bzw. um verlassene Nester handelt."

{title && {title} } cz, {title && {title} } Akt. 17.07.2025, 15:23, 17.07.2025, 06:00
Jetzt E-Paper lesen