Klimaschutz

Stadtstraße – NGOs verurteilen Einschüchterungsversuche

Anwaltsschreiben ging an zahlreiche Initiativen sowie Einzelpersonen. Rathaus hatte Besetzer zu Räumung der Camps in der Hausfeldstraße aufgefordert.

Lydia Matzka-Saboi
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Die großteils jugendlichen Aktivisten haben das Baustellenareal bei der Hausfeldstraße seit Ende August besetzt.
Die großteils jugendlichen Aktivisten haben das Baustellenareal bei der Hausfeldstraße seit Ende August besetzt.
Karl Schöndorfer / picturedesk.com

Wie berichtet hat die Stadt Wien am Freitag zahlreiche Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace, die Menschenrechtsorganisation "Südwind", Bürgerinitiativen und Einzelpersonen aufgefordert, die Demonstrations-Camps gegen die Stadtstraße in der Donaustadt zu räumen.

Anderenfalls würden rechtliche Schritte eingeleitet und die "entstandenen Schäden" von den Aktivisten eingefordert. Zahlreiche NGOs verurteilten am Samstag die "Einschüchterungsversuche gegen die Zivilgesellschaft" sowie die Drohung mittels einer Millionenklage.

Die Umweltschützer protestieren seit Monaten gegen den Bau der Verbindung zwischen der Seestadt und der Südosttangente. Bereits am Donnerstag war die Polizei im Camp und hat es für aufgelöst erklärt. Wir haben dazu berichtet. Am Freitag folgte dann das Anwaltsschreiben an die Aktivisten, in dem Rechtsmittel und Schadenersatzklage angedroht werden.

Die Stadtstraße Aspern soll die Seestadt mit der Nordostumfahrung verbinden.
Die Stadtstraße Aspern soll die Seestadt mit der Nordostumfahrung verbinden.
Stadt Wien

Greenpeace und Co. kritisieren das Vorgehen der Stadt Wien aufs Schärfste

Fridays for Future kritisierten den Einschüchterungsversuch ebenso wie die Menschenrechtsorganisation "Südwind" und die beiden großen Umweltschutzorganisationen WWF und Greenpeace aufs Schärfste.

Laut den NGOs erhielten auch Initiativen, die gar nicht an der Besetzung beteiligt sind, das Anwaltsschreiben. Ihnen allen werde "pauschal mit existenzbedrohenden Klagen in Millionenhöhe gedroht", kritisierte Greenpeace. Die Aktivisten betonten, sich nicht einschüchtern zu lassen und weiter gegen die Stadtautobahn zu demonstrieren.

"Dass die Stadt Wien uns junge Menschen, die sich für eine lebenswerte Zukunft einsetzen, mit Klagsdrohungen einschüchtern will, zeigt einmal mehr, dass sie mit ihrer Argumentation offensichtlich am Ende ist", sagte Simon Pories von Fridays for Future. Das "demokratiepolitisch inakzeptable Vorgehen einer Klagsdrohung, mit dem Klimaaktivisten mundtot gemacht werden sollen, erfolgte ausgerechnet am internationalen Tag der Menschenrechte, kritisierte Fridays for Future.

Auch Klara Maria Schenk von Greenpeace sieht in dem Anwaltsschreiben "den demokratiefeindlichen Versuch von Bürgermeister Michael Ludwig und der SPÖ Wien, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen und das friedliche Engagement von jungen Klima- und Naturschützerinnen gegen die umstrittene Stadtautobahn zu unterbinden." Damit sei eine rote Linie überschritten worden.

Klagsdrohungen "schändlicher Versuch, kritische Stimmen mundtot zu machen"

Der Verein Südwind sieht in den Klagsdrohungen für öffentliche Meinungsäußerung einen Tabubruch und forderte die sofortige Rücknahme und eine öffentliche Stellungnahme der Stadtregierung. Den jungen Menschen werden "existenzbedrohende Kosten" angedroht. Auch die Gruppen Jugendrat, System Change not Climate Change sowie Extinction Rebellion verurteilten am Samstag in einer Aussendung das "brutale Vorgehen der Stadt Wien, die damit den friedlichen Protest zum Verstummen bringen will". 

Der WWF bewertet das Vorgehen der Stadt als "letztklassig und demokratiefeindlich". "Bürgermeister Michael Ludwig muss dafür sorgen, dass diese Drohbriefe zurückgezogen werden und sich für das Vorgehen entschuldigen", forderte WWF-Sprecherin Hanna Simons. Die Stadt Wien müsse die Zeichen der Zeit erkennen und eine umfassende Mobilitätswende umsetzen, anstatt neue Straßen in die Landschaft zu betonieren.

Geplante Stadtstraße erhitzt die Gemüter

Das Schreiben war von der Kanzlei Jarolim Partner verschickt worden. Darin wurde festgehalten, dass der Allgemeinheit durch das "rechtswidrige Verhalten und die Verzögerung der Bauarbeiten immens hoher Schaden" entstehe. Die Stadt Wien sei verpflichtet, "diese Schäden von den Verursachern einzufordern".

Die großteils jugendlichen Aktivistinnen und Aktivisten haben das Baustellenareal bei der Abfahrt Südosttangente seit Ende August besetzt. Mit der Absage des Baus des Lobautunnels und der Nordostumfahrung durch Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) haben sie zuletzt einen Teilerfolg erzielt.

Der Protest der Aktivisten richtet sich nun gegen die Stadt Wien und die geplante Stadtstraße Aspern. Diese soll die Seestadt mit der Nordostumfahrung verbinden. Sie soll zwar mehrspurig errichtet werden, formal handelt es sich dabei aber um keine Autobahn, betonte die Stadt Wien. Vielmehr stelle die 3,2 Kilometer lange Verbindung eine Gemeindestraße mit Höchsttempo 50 km/h dar.