Mitten in seiner Ansprache wird Andreas Babler (SPÖ) unterbrochen: Pro-Palästina-Aktivisten stürmen die Bühne, skandieren Parolen, zeigen Transparente mit der Aufschrift "Stoppt den Völkermord" und "Free Gaza Now". Nach wenigen Minuten ist die Bühne geräumt, die Situation unter Kontrolle. Babler bleibt ruhig – und setzt an derselben Stelle fort, wo er unterbrochen wurde.
"Andere gleichen Kassandra. Sie mahnen, sie warnen, doch kaum jemand hört zu." Dieser Satz wirkt in dem Moment wie eine Reaktion auf die Störung, ist aber Teil des vorbereiteten Manuskripts. Doch was meint Babler damit?
In der griechischen Mythologie ist Kassandra eine Seherin, Tochter des trojanischen Königs Priamos. Sie wird von Gott Apollon mit der Gabe der Prophezeiung beschenkt – als sie sich ihm jedoch verweigert, belegt er sie mit einem Fluch: Zwar sieht sie die Zukunft klar, doch niemand glaubt ihr. Ihre Warnungen vor dem Untergang Trojas verhallen – mit bekanntem Ausgang.
Mit dem Kassandra-Vergleich stellt sich Babler symbolisch in die Rolle jener, die auf Missstände hinweisen, deren Appelle aber ignoriert oder lächerlich gemacht werden. Seine Botschaft: Die Demokratie sei bedroht, soziale Ungleichheit nehme zu, und es brauche politische Stimmen, die frühzeitig warnen – auch wenn sie nicht gehört werden wollen.
Inmitten der lautstarken Proteste wirkt dieser Vergleich fast prophetisch. Der Vizekanzler betont später: "Die Festspiele sind ein Ort echter gesellschaftspolitischer Debatte." Kritik sei legitim – aber der Rahmen müsse stimmen.
Er habe selbst in meiner Rede bei den Festspielen über die katastrophale humanitäre Lage in Gaza und das große Leid der Zivilbevölkerung gesprochen, "da es mir wichtig war, auch den Rahmen der Festspiele zu nutzen, um darauf aufmerksam zu machen. Ich habe großes Verständnis für den Protest", so Babler am Samstag via Aussendung. "Friedlicher Protest ist wichtig und wird ernst genommen. Ich lade die Menschen, die heute Protest erhoben haben daher ein, in einem angemessenen Rahmen Gespräche zu führen und in den Dialog zu treten", so der Politiker.