Politik

Terroranschlag in Wien – Volksanwaltschaft ortet Fehler

Im Sonderbericht zum Terroranschlag in Wien sieht die Volksanwaltschaft einige grobe Fehler. Auch die Zusammenarbeit mit dem BMI verlief suboptimal.

Leo Stempfl
Die Volksanwaltschaft ortet grobe Behörden-Fehler im Vorfeld des Terroranschlags in Wien.
Die Volksanwaltschaft ortet grobe Behörden-Fehler im Vorfeld des Terroranschlags in Wien.
Helmut Graf

Die Parlamentskorrespondenz informiert am Montag über den neuen Sonderbericht der Volksanwaltschaft zum Terror-Anschlag in Wien am 2. November 2020. Insbesondere die Rolle des Innenministeriums (damals unter Karl Nehammer) bzw. des damaligen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wird genauer unter die Lupe genommen. Zentrale Frage: Hätte der Anschlag nicht von Vornherein verhindert werden können? 

Der Bericht der Volksanwaltschaft, gezeichnet von der früheren ÖVP-Vize-Klubobfrau und nunmehrigen Volksanwältin Gaby Schwarz, Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz, beantwortet diese Frage mit einer teilweisen Bejahung. Bereits im August seien zahlreiche Hinweise vorgelegen, wobei eine Meldung an die Staatsanwaltschaft aber nicht erfolgte. 

Mangelhafte Zusammenarbeit

Ein schwerwiegender Fehler sei insbesondere gewesen, dass die Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig in die Ermittlungen eingebunden wurde, obwohl etwa die Vergangenheit des späteren Attentäters in Verbindung mit Hinweisen zum versuchten Munitionskauf in der Slowakei, der Teilnahme an Islamistentreffen und geplante Terror-Reisen nach Syrien zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt waren. 

Das Innenministerium rechtfertigte sich hierbei lediglich mit rechtlichen Argumenten und relativierte, anderweitige Probleme wurden nicht erläutert. Interessante Einblicke bietet der Bericht auch in die Zusammenarbeit zwischen Volksanwaltschaft und den Ministerien für Justiz und jenem für Inneres. Während das BMJ Ersuchen um die Übermittlung von Akten "in bewährter Weise binnen weniger Tage" nachkam, wie es auf Seite 37 heißt, erfolgte die Aktenübermittlung aus dem BMI nur unzureichend. Gleich zu Beginn wurde die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Fragen der Volksanwaltschaft "verweigert", ein Rechtsirrtum soll außerdem zu einer Verweigerung der Akteneinsicht geführt haben. 

Munitionskauf ließ Beamte kalt

Europol informierte das Innenministerium bereits am 27. Juli 2020 darüber, dass der spätere Attentäter in der Slowakei Munition kaufen wollte  – Fotos inklusive. Erst ein knappes Monat später wurden diese Infos an das LVT Wien weitergeleitet. Eine Meldung an die Justiz gab es überhaupt nicht. Das BMI argumentierte, die Fotos seien zu unscharf gewesen. Für die Volksanwaltschaft ist dieses Argument nicht haltbar,  LVT Wien bzw. BVT hätten daher wohl mehr als nur eine "vage Vermutung", wie vom BMI vorgebracht, gehegt.

Selbst, als sich die Indizienlage weiter verdichtete, gab es keine Meldung an die Staatsanwaltschaft. Man berief sich dabei auf eine – von der Volksanwaltschaft nicht vertretene – Rechtsansicht. Da bereits im Spätsommer 2020 ausreichend Verdacht auf eine geplante Terrortat vorlag, habe dringender Bedarf einer Berichterstattung an die Justiz bestanden. Von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) wird nun gefordert, das disziplinarrechtliche Verfahren zur Aufklärung der Gründe für die unterlassene Berichterstattung auszudehnen. 

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    Kanzler Karl Nehammer und weitere Regierungsmitglieder gedenken der Opfer des Terroranschlags.
    Kanzler Karl Nehammer und weitere Regierungsmitglieder gedenken der Opfer des Terroranschlags.
    BKA / Dragan Tatic

    Terrorist kein Unbekannter

    All das müsse unter dem Hintergrund gesehen werden, dass der Terrorist kein Unbekannter war. 2019 wurde er wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung verurteilt, laut Volksanwaltschaftsbericht wurde ihm IS-Unterstützung und geplante Reisen in diesem Zusammenhang sowie die Teilnahme an einem Islamistentreffen kurz vor dem Anschlag nachgewiesen.

    Aus Sicht der Volksanwaltschaft hätten daher konkrete Maßnahmen wie die Observation des späteren Anschlagstäters erfolgen müssen. Überdies hätten BVT und LVT Wien schon im August 2020 gewusst, dass das Auto, das K.F. für die Fahrt zum Munitionskauf für die AK-47 nutzte, auf die Mutter eines islamistischen Bekannten von ihm zugelassen war.

    Abschließend wird empfohlen, die Beamte in BVT und LVT mittels Schulungen besser über Berichts- und Kooperationspflichten zu informieren. Außerdem müsse der Gesetzgeber nachbessern, da es aktuell noch Unklarheiten bei der verpflichtenden Berichterstattung an die Staatsanwaltschaft gibt.