Das tödliche Bergsteiger-Drama am Großglockner vom 18./19. Jänner wirft weiter viele Fragen auf. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 36-jährigen Alpinisten, der seine völlig erschöpfte Lebensgefährtin (33) bei eisigen Temperaturen alleine auf dem Berg zurückgelassen hatte, um Hilfe zu holen. Es steht der Verdacht der fahrlässigen Tötung im Raum.
Der Salzburger Alpinist hatte sich bislang zu den Vorwürfen nicht geäußert, nur auf seine Unschuld plädiert. Doch jetzt bricht er sein Schweigen!
Über seinen Anwalt Kurt Jelinek hat der 36-Jährige nun eine Stellungnahme bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck eingebracht. Das berichtet die "Kronen Zeitung" am Freitag. Demnach betont der Mann darin seinen "sehr großen persönlichen Verlust". Seine umgekommene Lebensgefährtin sei körperlich aktiv und erfahren genug gewesen, die Tour hätten sie gemeinsam "adäquat geplant".
"Meinem Mandanten tut der Tod seiner Lebensgefährtin unendlich leid", so Jelinek laut "Kleine Zeitung" weiter: "Er möchte vor allem gegenüber der Familie der Verstorbenen sein tief empfundenes Bedauern zum Ausdruck bringen."
In seiner Stellungnahme ergänzt der 36-Jährige zum bereits bekannten Ablauf, dass sie beide beim ersten Besuch des Polizeihubschraubers noch fit gewesen seien: "Es bestand keine Notlage und es wurde daher keine Hilfe benötigt".
Erst einige Zeit später sei es "für den Beschuldigten völlig überraschend und objektiv nicht vorhersehbar" zu einer "Verschlechterung der Bedingungen" gekommen. Vor allem seine Partnerin sei plötzlich sichtbar erschöpft gewesen, weshalb er um 0.30 Uhr an eine Rettung per Heli gedacht habe.
Dabei habe er mehrere verpasste Anrufe und Nachrichten eines Alpinpolizisten entdeckt. Diese hatte er nicht bemerkt, weil das Handy "bei eingehenden Anrufen und Nachrichten nur leicht vibrierte". Um 0.35 Uhr rief er den Beamten zurück und berichtete ihm, dass "insbesondere seine Freundin – aber beginnend auch er selbst – stark erschöpft" seien und daher "zeitnah Hilfe erforderlich" sei.
Dabei könnte es zu einem Missverständnis gekommen sein, mutmaßt der Beschuldigte. Der Polizist sagte laut "Kleine" jedoch in seiner Einvernahme aus, dass der Beschuldigte erklärt habe, es sei "alles in Ordnung".
"Das ist unrichtig", so der 36-Jährige. Er habe sich auf den vorangegangenen Hubschrauberüberflug bezogen und habe geglaubt, dass der Alpinpolizist über den Ernst der aktuellen Lage Bescheid wüsste. Das erschütternde Resultat: Hilfe kam nicht.
"Aus Sicht der Verteidigung hätte die Alpinpolizei bereits zu diesem Zeitpunkt reagieren müssen", wird Jelinek durch die "Krone" zitiert.
Oben auf dem Berg versuchte das Paar, sich durch langsamen weiteren Aufstieg warm zu halten. Doch an einer Schneerampe 30 bis 40 Meter Höhenmeter unter dem Gipfelkreuz war Schluss: "Die Situation war aussichtslos: Die Frau war körperlich derart erschöpft, dass sie den Aufstieg gar nicht mehr fortsetzen konnte."
Vorwärts ging nicht, rückwärts war völlig unmöglich. Ohne Aussicht, seiner Partnerin vor Ort helfen zu können, habe er dann "im Einvernehmen mit seiner Freundin" die Entscheidung getroffen, alleine weiterzugehen. Der Salzburger hoffte, bei der Schutzhütte auf der Adlersruhe auf andere Bergsteiger zu treffen. Doch vergeblich.
Um 3.30 Uhr nachts, lange nachdem er alleine aufgebrochen war, rief er noch einmal bei dem Alpinpolizisten an. Dabei schilderte er, dass er die 33-Jährige habe zurücklassen müssen und "regte auch an, erneut einen Hubschrauber zu schicken". Aufgrund der Wetterverhältnisse konnte der Heli aber nicht vor Tagesanbruch aufsteigen, der folgende Versuch scheiterte an heftigen Sturmböen. Deswegen stiegen auch sechs Retter zu Fuß zur Unglücksstelle auf.
Jelinek dazu: "Rückwirkend ist für den Beschuldigten unverständlich, wieso die Rettungskette erst so spät in Gang gesetzt wurde, zumal er bereits um 0.35 Uhr von der misslichen Situation berichtet hatte." Der 36-Jährige selbst habe den "plötzlichen Müdigkeitseinbruch" seiner Lebensgefährtin nicht vorhersehen können, sei selbst davon überrascht gewesen.
Ein Detail im Gutachten der Gerichtsmedizin lässt aufhorchen: Die Verstorbene hatte offenbar an einer viralen Infektion in der Lunge gelitten. In ihrem Blut wurde der entzündungshemmende Wirkstoff Ibuprofen nachgewiesen – davon will ihr Partner nichts gewusst haben.
Der 36-Jährige strebt eine Einstellung des Verfahrens an. "Meiner Meinung nach gehört das Verfahren eingestellt, weil das Unglück unvorhersehbar war", so Verteidiger Jelinek zur "Krone". Für den Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.