Nach dem tödlichen Unfall auf der Heimwehfluh-Rodelbahn in der Schweiz sind viele Fragen ungeklärt. Im Dorf herrscht Trauer und Betroffenheit über den Tod des Mitarbeiters, der am Freitagmorgen eine Kontrollfahrt nicht überlebte.
Erst am Dienstag wurde die Bahn für eine Sonderinspektion gesperrt. Am Mittwochnachmittag hieß es dann: Die Heimwehfluh-Rodelbahn ist derzeit nicht betriebssicher. Die Baupolizei der Gemeinde Matten erließ ein Benutzungsverbot, bis "umfangreiche" Wartungsarbeiten an den Schlitten vorgenommen worden seien.
Für die Inspektion zuständig ist die Kontrollstelle des Interkantonalen Konkordats für Seilbahnen und Skilifte (IKSS) sowie das Amt für öffentlichen Verkehr des Kantons Bern (AÖV). Diese führten im 2-Jahres-Rhythmus Kontrollen an der Anlage durch. Hauptverantwortung für die technische Prüfung liege dabei bei der IKSS, teilt Ingenieur Thomas Gisi vom AÖV auf Anfrage mit.
2023 fand die letzte Kontrolle an der Heimwehfluh-Bahn statt. Damals wurden bereits Mängel festgestellt, wie Thomas Gisi zu "20 Minuten" sagt. Man habe dem Betreiber Auflagen erteilt, die dieser umgesetzt habe, so Gisi.
Auf die Natur der Mängel will Gisi nicht eingehen. Nur: Die Mängel hätten keine Gefahr für die Benutzer der Anlage dargestellt, eine Schließung der Bahn habe nicht zur Debatte gestanden.
"20 Minuten" fragt auch beim für das Amt zuständigen Regierungsrat des Kantons Bern, Christoph Neuhaus, um Stellungnahme. Dieser sei derzeit jedoch in den Ferien, die Medienanfrage wird deshalb an das AÖV verwiesen.
Die Kontrollstelle IKSS wollte sich auch nach mehreren schriftlichen und telefonischen Anfragen nicht zu vergangenen Kontrollen an der Heimwehfluh-Bahn äußern. Man verwies lediglich auf die laufenden Ermittlungen und die Mitteilung des AÖV.
Die Gemeinde Matten bei Interlaken kommentiert die Situation bei der Heimwehfluh-Bahn ebenso nicht. "Kein Kommentar", antwortet die Gemeindepräsidentin von Matten bei Interlaken, Lisa Randazzo-Anneler, auf telefonische Anfrage. Auch die Frage, ob sich denn örtliche Politiker angesichts der zahlreichen Vorfälle bei den zuständigen Stellen für die Schließung oder intensivere Überprüfung der Bahn eingesetzt hätten, lässt die Gemeindepräsidentin unbeantwortet.
Denn es ist nicht der erste Unfall auf der Heimwehfluh-Bahn: 2010 kam eine pakistanische Touristin auf der Bahn ums Leben. Schon damals erklärte der Betreiber: "Meine Bahn ist sehr sicher." In späteren Interviews widersprach Tschanz auch den polizeilichen Untersuchungsergebnissen.
Nicht jeder Unfall schaffte es bislang in die Medien. Bei "20 Minuten" meldete sich nach dem tödlichen Vorfall vom Freitag eine Frau, die vom Unfall auf der Bahn im Jahr 2008 berichtet.
Sie sei mit ihrem Sohn im Schoß die Strecke heruntergefahren, als sie wegen eines vorfahrenden langsamen Rodels abbremsen musste. Der hinterherfahrende Rodel habe dies jedoch verpasst und knallte in den Rodel der Frau. Durch die Kollision seien sowohl das Bremsseil als auch der Kindergurt gerissen, und der Rodel donnerte ungebremst ins Tal.
"Unser Sohn wurde aus dem Sessel geschleudert und ich hielt ihn nur noch unter meinem Arm. Er kam mit dem Schrecken davon, mir hatte es den Fuß unter den Rodel genommen und er war gebrochen", schildert die Frau.
Sie musste mit der Ambulanz abtransportiert werden. "Der Bahnbetreiber entschuldigte sich nicht, er sagte, es sei Selbstverschulden, da ausdrücklich stehe, dass man auf der Bahn nicht anhalten darf."
Der Unfall vom Freitag habe sie tief bewegt: "Ich hoffe sehr, dass die Bahn nun endlich geschlossen wird."
Ein weiterer News-Scout, der in Matten bei Interlaken zu Hause ist, sagte zu "20 Minuten": "Die Bahn war von Anfang an gefährlich." Er sei nur einmal mit dem Rodel gefahren und danach "wegen eigener Sicherheitsbedenken" nie wieder.
Besuchern rate er davon ab, mit dem Rodel zu fahren. "Einheimische meiden die Bahn wegen der Sicherheit. Wir wussten ja von all den Unfällen und dem Todesfall vor 15 Jahren."
In der Kritik steht jedoch nicht nur die Rodelbahn, sondern die gesamte Anlage, und zwar schon lange vor dem Unfall. Auf Google liegt die Bewertung bei 3,6 Sternen. Viele negative Bewertungen kritisieren insbesondere den Zustand der Anlage: "Alles sehr, sehr alt und in schlechtem Zustand", lautet eine Bewertung.
"Es ist nicht nostalgisch, es ist veraltet", heißt es in einer anderen Bewertung. "Man könnte meinen, diese Bahn ist ein Lost Place oder der Weg, Dornröschen zu retten!"
Auch die Sicherheit – sowohl auf dem Spielplatz als auch auf der Rodelbahn – wird kritisiert. "Der Spielplatz ist zum Teil schon fast gefährlich für kleine Kinder. Alles extrem in die Jahre gekommen und nicht gepflegt."
Eine Reviewerin berichtet von einem Unfall, den ihr Vater und Sohn vor Jahren auf der Bahn hatten, beide seien aus dem Rodel geschleudert worden. Dabei hätten sie sich nur leicht verletzt, doch die Review von vor einem Jahr warnt: "Achtung: Todesfalle!".