Usain Bolt hat seinen Nachfolger gefunden. Erstmals seit dem WM-Triumph der Sprint-Ikone 2015 in Peking siegte ein Athlet außerhalb des US-Herrenteams über 100 Meter und wieder ist es ein Jamaikaner, der sich nun mit dem Titel "schnellster Mann der Welt" brüsten darf.
Oblique Seville (24) krönte sich in Tokio in 9,77 Sekunden zum neuen Weltmeister in der Königsdisziplin der Leichtathletik und katapultiert sich damit endgültig in die Reihe der ganz Großen. "Jetzt habe ich es meinen Fans, meiner Familie und der Welt gezeigt: Ich bin der Champion", sagte der neue 100-Meter-König mit Gold um den Hals.
Seville galt schon vor seinem Tokio-Triumph als einer der konstantesten Sprinter der Weltspitze, schaffte es aber zuvor noch nicht, den hohen Erwartungen an ihn gerecht zu werden. Bei den letzten beiden Weltmeisterschaften wurde er Vierter, bei Olympia in Paris landete er im Finale auf dem letzten Platz.
Dass der Jamaikaner großes Talent besitzt, zeigte sich indes schon vor seiner Geburt. "Während meiner Schwangerschaft bewegte er sich in meinem Bauch auf und ab, als würde er laufen. Er war mein letztes Baby und sehr aktiv", sagte Sevilles Mutter Juliet einst in einem Interview mit der jamaikanischen Zeitung "The Star".
Auch als kleiner Bub sei Sevilles Bewegungsdrang sehr groß gewesen, wie seine Mama beteuert: "Er war auch ein lebhafter kleiner Junge, als er aufwuchs. Wenn er zur Sonntagsschule ging, konnte er nicht still sitzen. Er rannte von seinem Platz direkt zur Tribüne."
Der neue 100-Meter-Weltmeister selbst erklärte gegenüber Olympics.com, dass er als Kind schon früh seinen anderen Kollegen um die Ohren gerannt sei. "Ich bin schon im Kindergarten gegen die großen Jungs gelaufen und habe meiner Klasse gezeigt, was ich kann".
Besonders viel Unterstützung erfuhr klein Seville von seinem Vater. "Er war mein erster Fan, mein erster Unterstützer. Er hat mich gefördert, weil er mein Talent erkannt hat", erklärte der Sprinter. Dementsprechend schwierig war es für ihn als damals 17-Jähriger emotional, als sein Vater Ende 2018 plötzlich verstarb – mutmaßlich an einem Herzinfarkt.
"Oblique war völlig am Boden zerstört. Er war seine größte Stütze und sein Mentor", betonte Mutter Seville über ihren verstorbenen Ehemann. "Er hat mein wahres Talent nie gesehen. Es war eine emotionale Zeit für mich", sagte der Sprint-Star.
"Als ich das letzte Mal mit ihm sprach, etwa zwei Wochen vor seinem Tod, unterhielten wir uns über Leichtathletik. Er sagte zu mir: ,Sohn, mach es einfach, weil du es kannst'", verrät Seville. Noch heute erinnert ihn seine Handyhülle tagtäglich an seinen Vater. Die Hülle ziert ein gemeinsames Foto, auf dem Papa Seville den kleinen Oblique als Baby in den Armen hält.
In Tokio krönte Seville nun seine bisherige Karriere. Der Kreis zu Superstar Bolt schließt sich indes, weil dessen früherer Trainer Glen Mills heute Seville coacht. "Bolt ist mein Idol und jetzt arbeite ich mit seinem Coach zusammen. Er ist brillant. Er weiß, wie man dich fit macht. Das hat er mir über die Jahre immer wieder bewiesen und das hat er auch bei Bolt und anderen gezeigt", so der frischgebackene Champion.