Oberösterreich

"Tsunami" – Teuerung treibt viele zur Schuldnerberatung

Jüngere Menschen rutschen öfter in die Schuldenfalle ab, während die Preise steigen. "Heute" hat bei der Schuldnerberatung und im Handel nachgefragt.

Johannes Rausch
Im Textilhandel ist ein Umsatzrückgang gegenüber den letzten Jahren zu verzeichnen.
Im Textilhandel ist ein Umsatzrückgang gegenüber den letzten Jahren zu verzeichnen.
Weingartner-Foto / picturedesk.com

Während überall Preissteigerungen zu beobachten sind, plagen vor allem junge Menschen Geldsorgen. Die meisten Klientinnen und Klienten bei der Schuldnerberatung Oberösterreich sind zwischen 25 und 35 Jahre alt.

"Wir rechnen in nächster Zeit vermehrt mit jungen Menschen, die sich verschulden werden", berichtet Thomas Berghuber, Geschäftsführer der Schuldnerberatung OÖ, im Gespräch mit "Heute". Die Bereiche Wohnen, Betriebskosten und Konsumverhalten sind besonders stark betroffen. Die Frage sei, wie sich die Banken verhalten werden, so Berghuber.

Starker Anstieg bei Erstkontakten

Haben sich durch Corona und Teuerung mehr Menschen verschuldet? "Ja, auf jeden Fall. Das dicke Ende wird aber erst kommen. Wir haben zehn bis 15 Prozent Erstkontakte mehr gegenüber dem Vorjahr. Ein Aspekt sei in der aktuellen Krise jedoch augenfällig: "Es gibt neue Bevölkerungsgruppen aus der Mittelschicht, die bisher noch kein Schuldenproblem hatten."

"Ein massives Problem ist die mangelnde finanzielle Bildung. Viele Menschen wissen nicht, was ein günstiger Kredit ist, sind nicht sprach- oder verhandlungskompetent genug." Thomas Berghuber, Geschäftsführer Schuldnerberatung OÖ

Als Ursache für eine Verschuldung bezeichnet er die fehlende Aufklärung: "Ein massives Problem ist die mangelnde finanzielle Bildung. Viele Menschen wissen nicht, was ein günstiger Kredit ist, sind nicht sprach- oder verhandlungskompetent genug. Und gerade jüngere Menschen, die ohnehin schon den Konsumdruck aushalten müssen, haben jetzt noch zusätzlich mit Teuerungswellen zu kämpfen."

"Tsunami" erwartet

Berghuber rechnet mit einem finanziellen "Tsunami": "Es wird massiv sein. Ich rechne mit vier Wellen, die sich überlagen werden: Corona und seine Folgen, Inflation, steigende Kreditzinsen und die allgemeine wirtschaftliche Situation rund um die Gas- und Energiekrise." Und fügt hinzu: "Das große Problem wird in drei bis vier Jahren auftauchen, und es wird voraussichtlich auch für den Mittelstand dramatisch."

Thomas Berghuber von der Schuldnerberatung OÖ
Thomas Berghuber von der Schuldnerberatung OÖ
Schuldnerberatung
"Mein Tipp: Haushaltsbuch führen und sich über seine finanzielle Lage informieren. Viele wissen gar nicht, wie viel sie verdienen und welche Ausgaben sie haben." Thomas Berghuber

"Einmalzahlungen nicht sinnvoll"

Richtung Politik findet Berghuber klare Worte: "Es muss bei der Sozialpolitik angesetzt werden. Einmalzahlungen sind nicht sehr sinnvoll. Eine unsere Hauptforderungen ist seit Langem, dass die Lohnpfändungsgrenzen spürbar erhöht werden müssen. Davon abgesehen muss Wohnen leistbar sein. Mietstundungen werden wieder notwendig sein, um Delogierungswellen verhindern."

Eine Komponente sei durch die Pandemie dazugekommen, so der Experte: "Online-Shopping hat sich durch Corona verstärkt und wird ein Thema bei der Schuldnerberatung bleiben. Mein Tipp zum Einkaufen im stationären Handel: immer eine Einkaufsliste mitnehmen und bar zahlen."

"Kunden greifen zur Billigschiene"

Wie von "Heute" berichtet, lässt die Teuerungswelle viele Kunden zu günstigeren Produkten greifen. "Umfragen bestätigen, dass viele Konsumenten, vor allem aus dem Bereich der Niedrigverdiener, zu billigeren Lebensmitteln greifen. Kunden kaufen überwiegend Waren aus der Billigschiene, also Eigenmarken. Bei Bio und Regionalem gibt es hingegen weniger Nachfrage", sagt Manfred Zöchbauer, Geschäftsführer der Sparte Handel der Wirtschaftskammer OÖ, gegenüber "Heute".

Spartengeschäftsführer Manfred Zöchbauer
Spartengeschäftsführer Manfred Zöchbauer
WKOÖ

Doch man müsse im Handel unterscheiden: "Im Bereich Mode sind größere Umsatzrückgänge zu verzeichnen. Beispiel Gewand: Hier gibt es eine hohe Kaufzurückhaltung."

"Die Umsätze im Handel sind zwar rückläufig, aber von einem sehr hohen Niveau in den vergangenen beiden Jahren ausgehend." Spartengeschäftsführer Manfred Zöchbauer

Es gebe einen Umsatzrückgang im Handel, jedoch keinen dramatischen: "Man muss hier vorsichtig sein: Die Umsätze im Handel sind zwar rückläufig, aber von einem sehr hohen Niveau in den vergangenen beiden Jahren ausgehend." Auch die heiße Jahreszeit verlaufe aus wirtschaftlicher Sicht relativ normal: "In den Städten sind die Umsätze im Sommer nie so gut", so Zöchbauer.

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