Coronavirus

Übereifrig: Höchstgericht hob Corona-Urteile auf

Der entsprechende Paragraf galt fast schon als totes Recht – bis zur Corona-Pandemie. Viele Urteile waren aber offenbar falsch.

Leo Stempfl
Viele Corona-Strafen hielt einer höchstgerichtlichen Prüfung nicht stand.
Viele Corona-Strafen hielt einer höchstgerichtlichen Prüfung nicht stand.
Sabine Hertel

"Wer eine Handlung begeht, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen." So heißt es im Paragraf 178 des Strafgesetzbuchs. Weil die Krankheit aber auch meldepflichtig sein muss, gab es in der Geschichte Österreichs nur eine Handvoll Fälle – meist, etwa wenn jemand trotz Wissens über eine HIV-Infektion ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte.

Dann kam die Corona-Pandemie. Plötzlich gab es wieder eine meldepflichtige Krankheit, die zu mehreren Lockdowns und vielen verständnislosen Bürger führte. Die Strafverfolgungsbehörden bedienten sich dem § 178, immerhin schien der Tatbestand auf die Sachverhalte durchaus passend.

"Viele Urteile falsch"

Die Anklagebehörden legten die Delikte aber oftmals falsch aus. "Viele Urteile waren rechtlich falsch und wurden vom Obersten Gerichtshof (OGH) aufgehoben. Die Voraussetzungen des Tatbestands lagen nicht vor oder wurden zu großzügig angewendet", erklärt ein Justizinsider den "Salzburger Nachrichten".

OGH-Sprecher Frederick Lendl bestätigt diese Schilderung grundsätzlich. Es sei ein gutes halbes Dutzend Fälle beim Höchstgericht gelandet, durchwegs wurde zugunsten der Angeklagten entschieden. "Die Urteile betrafen ganz unterschiedliche Themen. Es ist schwierig, daraus eine allgemeine Tendenz festzustellen, da es sich um Einzelfallentscheidungen handelte", sagt er den "SN".

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    Pech hatten wohl jene , die sich nicht gegen die erstinstanzlichen Urteile zur Wehr setzten. Dem Justizministerium liegen aber keine Aufzeichnungen darüber vor, in wie vielen Fällen es zu rechtskräftigen Verurteilungen kam, obwohl das Urteil womöglich nicht gehalten hätten.