Bestürzung im EU-Parlament

Übersetzerin versagt Stimme: Roman (11) rührt zu Tränen

Er ist erst 11, hat einen Raketenangriff überlebt, über 30 Operationen durchgestanden. Im EU-Parlament erzählt Roman Oleksiw seine Geschichte.
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12.12.2025, 08:08
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Roman Oleksiw ist elf Jahre alt. Der Bub aus der Ukraine hat seine Mutter bei einem russischen Raketenangriff verloren und selbst nur knapp überlebt. Er lag über hundert Tage im Koma und musste über 30 Operationen über sich ergehen lassen.

Jetzt hat er seine Geschichte in Straßburg erzählt – und im Europäischen Parlament manche zum Weinen gebracht. Der 11-Jährige sprach anlässlich der Präsentation eines Dokumentarfilms über Kinder im Krieg. Sein von Verbrennungen und all den Operationen gezeichnetes Gesicht, seine klaren Worte und seine Ruhe beeindruckten die Anwesenden.

"Ich war mit meiner Mutter im Spital, als eine Bombe explodierte", berichtete Roman. "Das war das letzte Mal, dass ich sie sah, und ich sagte ihr das." Die Übersetzerin musste hier abbrechen, ihr versagte die Stimme – "Heute" berichtete. Ein Kollege sprang für sie ein.

Roman fuhr fort: "Ich sah sie unter den Trümmern. Ich sah ihr Haar. Ich verabschiedete mich von ihr. Dann fiel ich ins Koma – über hundert Tage. Danach kamen 35 Operationen. Jetzt bin ich auf dem Weg der Heilung."

Die Anwesenden im Saal applaudierten ihm lange.

Selbst innere Organe verbrannt

Romans Geschichte steht für viele für Widerstandskraft und Hoffnung. Der russische Angriff fand im Juli 2022 statt, als er mit seiner Mutter Halyna in der westukrainischen Stadt Winnyzja auf einen Arzttermin wartete. Drei Raketen trafen die Klinik. 26 Menschen starben, auch Halyna.

Roman gelang es, schwer verletzt aus den Trümmern zu klettern, mit gebrochenem Arm und Bein. Über 45 Prozent seines Körpers waren verbrannt – selbst seine inneren Organe. Die Ärzte gaben dem Kind kaum eine Chance. Ein Video zeigt, wie ein Helfer das von Kopf bis Fuß verbrannte Kind in den Armen davonträgt.

Ambulanz musste langsam fahren

In einem medizinischen Evakuierungsprogramm kam Roman aus der Ukraine über Polen nach Deutschland und ins Unispital Dresden. Der Krankenwagen habe langsam fahren müssen, so fragil sei der Zustand des Buben gewesen, sagt sein Pfleger Jonathan Wincke. "Roman war in kritischem Zustand. Er war so schwer verletzt, dass er ruhiggestellt und beatmet werden musste – sonst hätte er die Reise nicht überstanden."

Mit Verbrennungen dritten Grades an Kopf, Gesicht, Armen und Beinen sowie Verbrennungen der Atemwege wurde Roman in ein künstliches Koma versetzt. "Niemand konnte garantieren, dass er überleben würde", sagt Romans Vater Yaroslaw Oleksiw gegenüber "Radio Free Europe".

Zwei Jahre lang Maske tragen

Während zwei Jahren musste das Kind wegen der Verbrennungen eine Spezialmaske sowie Kompressionsverbände tragen. Nach 35 Operationen – die meisten davon Hauttransplantationen – wird er bis zu seinem 18. Lebensjahr regelmäßig operiert werden müssen, auch weil Brandnarben nicht im Gleichklang mit gesunder Haut wachsen.

Letztes Jahr durfte Roman die Maske ablegen. Heute lebt er wieder mit seinem Vater in Lwiw in der Westukraine. Der tägliche Sirenenalarm macht ihm mehr Mühe als anderen. Eine Zeit lang habe der Bub jeden Morgen von dem Tag erzählt, an dem seine Mutter starb.

"Es ist wichtig, darüber zu sprechen"

"Er stand gegen 5 Uhr morgens auf und begann, Geschichten darüber zu erzählen, was passiert war: wie sie dorthin gekommen waren, wie die Rakete einschlug, wie er sich retten konnte", so Romans Vater Yaroslaw.

Roman spreche "ruhig" über den Angriff, so Yaroslaw. "Das Gleiche gilt für Gespräche über seine Mutter. Wenn wir ständig über Mama sprechen, erinnern wir uns in aller Ruhe an die schönen Momente, die wir hatten. Für ihn ist das wie ein Strahl der Wärme und Erinnerungen an seine Mutter", sagte Yaroslaw.

"Es ist wichtig, darüber zu sprechen. Man kann nicht einfach schweigen. Wir gehen oft zum Grab seiner Mutter, praktisch jeden zweiten Tag. Er kommt mit, zündet eine Kerze an, wir sitzen eine Weile da und gehen dann nach Hause. Das ist unser Leben."

Akkordeonspiel hilft vernarbten Fingern

Seit letztem Jahr ist Roman mit seinem Vater wieder zu Hause und geht in Lwiw zur Schule, wo er einen vollen Terminkalender hat, mit viel Physiotherapie, Schwimmunterricht sowie Tanz- und Musikunterricht.

Dazu lernt er Akkordeon. Das Drücken der vielen Knöpfe stärkt die Beweglichkeit seiner vernarbten Finger. Jüngst gewann Roman bei einem internationalen Wettbewerb sogar den ersten Preis.

Bei der Vorstellung des Dokumentarfilms in Straßburg gab sich der vom Krieg so gezeichnete Bub kämpferisch: "Wenn wir zusammenhalten, sind wir stark", so Roman. "Geben wir niemals auf. Helfen wir weiter der Ukraine und ihren Kindern."

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