Die Wogen gehen hoch in dem lieblichen Tal: Unter Berufung auf ein neues Gutachten fordert die Umweltschutzorganisation WWF eine Prüfung des Gepatsch-Stausees im Kaunertal und einen Stopp für den geplanten Ausbau.
Klimawandel und Gletscherschwund schaffen dort neue Seen, durch Felsstürze drohten Flutwellen. Der geplante Speicher Platzertal sei durch lockere Felsflanken massiv bedroht, so die Kritik. Der Tiroler Wasserkraft-Konzern Tiwag widerspricht.
Die Tiwag ignoriere "anscheinend bewusst Sicherheitsrisiken und gibt das auch offen zu. Spätestens jetzt muss Landeshauptmann Anton Mattle die Reißleine ziehen und das gefährliche Ausbauprojekt Kaunertal stoppen", so die massive Kritik vom WWF-Experten Maximilian Frey.
Von Alexander Van der Bellen bekam "Heute" trotz Anfrage in der Präsidentschaftskanzlei kein Statement zu dem Umweltstreit. "Da der Bundespräsident auch vor Ort lebt, halten wir es so, dass er alle Themen des Tals immer im Kaunertal selbst bespricht, nie über Medien. Das bleibt natürlich auch jetzt so", heißt es von Pressesprecher Stephan Götz-Bruha.
Der Schweizer Geomorphologe Wilfried Haeberli hatte zuvor in seinem Gutachten gleich zweimal auf den Klimawandel hingewiesen: Klimabedingte Landschaftsveränderung und klimabedingte Veränderung von Naturgefahren. Es geht um Gletscherschwund, See-Ausbrüche, Permafrost und vermehrte Felsstürze.
Beim Gepatschferner Gletscher dürfte der Eis-Schwund bis 2050 mehr als 50 Prozent ausmachen, was massive Folgen für den Abfluss von Starkregen habe, so Haeberli.
Druckentlastete Permafrost-Felsflanken könnten in neue Seen stürzen. Eine allfällige Flutwelle würde in einer halben Stunde den Gepatsch-Speicher erreichen. Haeberli empfiehlt die Vorbereitung eines Frühwarnsystems, zudem könnte eine Betriebsänderung der bestehenden Anlage notwendig werden.
Fels- und Bergstürze mit mehr als einer Million Kubikmeter seien künftig zu erwarten, Stürze aus destabilisierten Felsflanken bedrohten auch den Speicher Platzertal, so Haeberli. Steile Blockgletscher sollten systematisch auf Murengefahren kontrolliert werden, heißt es.
Der WWF fordert jetzt neuerlich den Stopp des geplanten Projekts und eine Prüfung des Bestandes beim Kraftwerk Kaunertal. Die Gefahren bedrohten auch die Bevölkerung, so Frey. Die Planung des Kraftwerks beruhe zudem auf 15 Jahre alten Daten.
Der Tiroler Kraftwerkbetreiber ist ganz anderer Meinung: "Die Sicherheit der Bevölkerung im Kaunertal ist auch künftig gewährleistet, und der Speicher Gepatsch bleibt auch mit dem neuen Pumpspeicher sicher", betonte ein Tiwag-Sprecher.