Wiener Lehrerin berichtet

"Verweigerung" - Kinder sprechen zu Hause nicht Deutsch

Bei sehr vielen ihrer Schüler würde zu Hause kein deutsches Wort gesprochen, es laufe "nur arabisches oder türkisches Fernsehen", so die Pädagogin.
Wien Heute
30.11.2025, 14:00
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In einer Volksschule in Wien-Favoriten betreut die Sprachförderlehrerin Christiane M. (Name geändert) derzeit vier Klassen mit rund 100 Schülern. Nur ein Kind spricht Deutsch als Muttersprache – "Heute" berichtete.

Eines der Hauptprobleme sieht die erfahrene Pädagogin im Elternhaus, ortet bei vielen sogar "Verweigerung", wie sie gegenüber "Heute" ausführt: "Eltern können gut auf die Kinder einwirken, das kann man von ihnen auch verlangen. Ich sage immer: Bitte alles auf Deutsch - aber es kommt nicht an. Es gibt Familien, die sind schon in dritter Generation hier und sprechen mit dem Kind nur Türkisch, obwohl sie selbst Deutsch können. Zu Hause läuft nur arabisches oder türkisches Fernsehen. Das verstehe ich dann nicht, das ist für mich Verweigerung", erklärt Christiane M. im Interview.

Sprachprobleme beginnen früh

➤Laut Österreichischem Integrationsfonds (ÖIF) sprechen mehr als jedes zweite Schulkind (51,6 Prozent, Stand 2022/23) im Alltag nicht Deutsch.

➤Rund 35 Prozent der Kinder haben zudem eine ausländische Staatsbürgerschaft.

➤Die Zahl der Kinder, die aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse dem Unterricht nur eingeschränkt folgen können, liegt in den Volksschulen bei 15.650.

Konsequenzen im Unterricht

Christiane M. berichtet, dass viele Kinder zwar lesen lernen, aber das Leseverständnis fehlt, weil zu Hause kein Deutsch gesprochen wird:

"Der überwiegende Teil lernt auch das Lesen, aber es fehlt oft am Leseverständnis. Wenn sie einen Text lesen, dann merkt man erst, was sie alles nicht verstehen. Meist wird in ihrem Umfeld kein einziges deutsches Wort gesprochen. In der vierten Klasse ist es dann schon besser, da kann man sich dann schon oft mit ihnen unterhalten."

Frühförderung und Motivation notwendig

Die Pädagogin betont: Deutschförderung muss bereits im Kindergarten beginnen: "Die Deutschförderung muss schon viel früher einsetzen - ab dem 3. Lebensjahr im Kindergarten. Denn, je früher damit begonnen wird, umso leichter lernen es die Kinder."

Die fehlende sprachliche Unterstützung im Elternhaus würde sich auch auf die weiterführende Schule niederschlagen, ist Christiane M. überzeugt: "Etwa 80 Prozent der Kinder wechseln von der Volks- in eine Mittelschule. Früher war es circa 50/50. Nur die Kinder, die vom Elternhaus unterstützt werden, die gehen dann ins Gymnasium. Das gibt es auch, aber es wird immer weniger."

Frust trotz Engagement

Christiane M. liebt ihren Beruf, ist aber besorgt über die Zukunft der Kinder: "Ich hab's immer gerne gemacht und mach's noch immer gerne. Aber ich bin auch ernüchtert und traurig, dass es so bergab mit der Bildung geht, mit den Zukunftschancen für diese Kinder. Was bleiben ihnen denn später für Optionen? Für die Männer Mindestsicherung oder Kriminalität, für die Frauen, früh Mutter zu werden."

{title && {title} } red, {title && {title} } 30.11.2025, 14:00
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