Klimaschutz

Vier von fünf Kilo Getreide landen nicht am Teller

In Österreich war Getreide bisher weniger Lebensmittel als Futtermittel und Treibstoff. Ukraine-Krieg und Klimakrise erfordern ein Umdenken.

Lydia Matzka-Saboi
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Rund 18 Millionen Tonnen an Weizen werden heuer voraussichtlich auf dem Weltmarkt fehlen. Infolge der rasant gestiegenen Preise droht in weiten Teilen Nordafrikas und Westasiens eine Hungersnot.
Rund 18 Millionen Tonnen an Weizen werden heuer voraussichtlich auf dem Weltmarkt fehlen. Infolge der rasant gestiegenen Preise droht in weiten Teilen Nordafrikas und Westasiens eine Hungersnot.
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Teller, Tank oder Futtertrog – bei Getreide droht ein weltweiter Engpass. "In Österreich wurden laut Versorgungsbilanz für 2019/2020 47 Prozent des Inlandsverbrauchs verfüttert, 17 Prozent wurden für Nahrung verwendet und 31 Prozent wurden energetisch oder stofflich genutzt", sagte Stefan Hörtenhuber vom Institut für Nutztierwissenschaften an der Boku in Wien.

Da in Österreich viel Bioethanol, welches Benzin beigemischt wird, exportiert wird, ist der Anteil bei der energetischen Nutzung höher als in der EU, erklärt Boku-Experte Hörtenhuber. EU-weit werden rund zwei Drittel des Getreides verfüttert und nur ein Drittel zu Nahrung verarbeitet, die energetische Nutzung mache in der EU rund drei Prozent aus.

Der Unterschied von Getreide zu anderen Futtermitteln sei, so der Wissenschafter, dass Getreide bis zu 80 Prozent humanernährungstauglich sei. Bei Ölsaaten wie etwa Raps könnten nur etwa 30 Prozent in Form von Ölen für den Menschen als Lebensmittel genutzt werden, der große Rest wäre Abfall, würde er nicht verfüttert. Deshalb wird Sonnenblumen- oder Rapskuchen in der Tierhaltung als eiweißreiches Futtermittel eingesetzt.

Klimakiller Rindfleisch

Generell gilt Fleisch als ineffiziente Ernährungsform mit hohem Ressourcenverbrauch. Für ein Kilogramm Schweinefleisch brauche man rund drei Kilo Getreide oder Mais sowie bis zu ein Kilo Eiweißfutter, rechnete Hörtenhuber vor. Bei Geflügel sei es etwas weniger und bei Rindfleisch brauche man teilweise sogar mehr Kraftfutter.

Dazu kommen in der Rindermast mindestens zehn Kilo oder deutlich mehr an Maissilage oder Wiesenfutter, das jedoch für den Menschen ohnehin nicht verwertbar ist. Bei Rindfleisch gibt es in Österreich eine Überproduktion, hier werden 140 Prozent des inländischen Bedarfs produziert.

Bei Milch und Milchprodukten hingegen steht Österreich, was den Eiweiß-Wirkungsgrad anbelangt, positiv da. Grund dafür sei der hohe Wiesenfutter-Anteil in Österreich. Für einen Liter Milch verfüttert der Bauer bzw. die Bäuerin in Österreich rund ein Viertelkilo Kraftfutter, wovon ohnehin nur ein Teil nahrungstauglich wäre.

Der Boku-Wissenschaftler sprach sich dagegen aus, Bauern in Österreich wegen des Ukraine-Kriegs und einer drohenden Hungersnot in Afrika vorzuschreiben, weniger Tiere zu halten. Dies würde nicht funktionieren und sogar für Unmut bei den Landwirten sorgen, meinte Hörtenhuber.

Fleischreduktion wegen Klimakrise notwendig

Besser als Vorschriften für die Produktion, so Hörtenhuber, wäre es, die Ernährungsempfehlungen zu beachten, denn der Fleischkonsum in Österreich sei im Durchschnitt viel zu hoch. "Eine gesunde Ernährung würde vor allem bei Männern die Fleischmenge auf zumindest die Hälfte reduzieren. Wenn sich die Ernährung ändert und die Tierhaltung sich daran anpassen kann, würde das einige Probleme lösen", sagte Hörtenhuber. "Die Veränderung müsste halt so ablaufen, dass die Landwirtschaft dabei nicht auf der Strecke bleibt."

Der Boku-Wissenschafter geht ohnehin davon aus, dass sich die Ernährungsgewohnheiten nicht nur aufgrund gesundheitlicher Überlegungen, sondern auch aufgrund der Klimakrise ändern werden. Bei vielen jüngeren Menschen sei der hohe Fleischkonsum schon heute nicht mehr so stark verbreitet wie bei älteren Personen. Die Debatte der Ernährungssicherheit rund um den Ukraine-Krieg könnte diese Entwicklung beschleunigen, so der Experte.

Dazu komme, dass sich die Verfügbarkeit von Lebensmitteln und Futtermitteln aufgrund des Klimawandels weltweit verändert. "Ich denke, dass wird über kurz oder lang schon Spuren hinterlassen", sagte Hörtenhuber.