Eigentlich könnte man glauben, dass Sofia Polcanova eines der schönsten Jahre ihres Lebens erlebte. Die Tischtennis-Spielerin holte bei der WM in Doha sensationell Silber, erlöste damit den österreichischen Verband, der seit 22 Jahren bei einer Weltmeisterschaft auf eine Medaille wartete. Doch so gut es für die Linzerin sportlich lief, so tragisch verlief ihr Jahr auf privater Ebene.
Kaum vorstellbar, aber wahr: Drei Menschen verlor die 31-Jährige aus ihrem engsten Familienkreis heuer – alle an Krebs. Im Februar starb ihre Patentante an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Im Juni starb ihre Schwiegermutter nach drei Jahren gegen Leukämie. Im Juli folgte der nächste Schock: Auch ihr Onkel starb an Bauchspeicheldrüsenkrebs.
"Ich hatte das Gefühl, dass alles in meinem Leben schiefläuft", sagt Polcanova gegenüber den "Oberösterreichischen Nachrichten" im Rückblick. "Danach haben schon Kleinigkeiten gereicht wie ein kaputter Reifen oder ein schlechtes Match, dass ich am Boden zerstört war. Es war einfach zu viel für mich", schilderte die 31-Jährige. Die Erlebnisse rissen alte Wunden auf: Erinnerungen an den Tod ihres Vaters, der 2015 an Lungenkrebs starb. Damals war sie 21. "Papa war mein erster Trainer. Als er dann krank geworden ist, war das ein Schock. Es war schwierig, wieder die Balance zu finden. Ich habe mich gefragt: Warum spiele ich überhaupt Tischtennis?"
Besonders schwer war es für die Linzerin, nichts gegen die Krankheit tun zu können. "Am Anfang hat mein Vater noch gut gehen können. Das ist immer schlechter geworden, bis er dann im Rollstuhl saß. Meine Mutter und ich haben uns um ihn gekümmert. Später konnte er gar nicht mehr aufstehen. Irgendwann hat er mich nicht einmal mehr erkannt. Das anzuschauen ist sehr hart. Wenn das wieder und wieder passiert, kommt das wieder hoch", erklärte Polcanova.
Trotz all der Schicksalsschläge schaffte es die 31-Jährige fast immer sportliche Höchstleistungen zu bringen. 2022 EM-Gold kurz nach der Krebsdiagnose ihre Schwiegermutter. 2025 WM-Silber kurz nachdem ihrer Patentante verstorben ist. Wie geht das? "Ich kann mir das nur so erklären, dass ich ein wenig länger brauche, um zu begreifen, was passiert ist. Nachdem mein Papa 2015 gestorben ist, ist es mir erst ein Jahr später so richtig schlecht gegangen."
Und: Tischtennis hilft auf jeden Fall. "Es hilft, wenn man sich einmal für zwei Stunden nur auf den Ball und die Bewegung konzentrieren muss – und auf nichts anderes. Aber das ist es natürlich nicht, warum ich Tischtennis spiele. Mir geht es in der Realität auch gut."
Dennoch gestand die WM-Heldin auch, dass sie die Tode noch lange nicht verarbeitet hat. "Ich werde nicht lügen: Mir geht’s noch immer nicht gut", sagt sie offen. Halt findet sie bei ihrem Mann Peter und im gemeinsamen Gespräch mit ihrem Sportpsychologen. "Es ist kein Zeichen von Schwäche, sich Hilfe zu holen", weiß sie mittlerweile.
"Außerdem habe ich die Vorstellung, dass mein Papa, meine Schwiegermutter, meine Patentante und mein Onkel alle auf einer Wolke sitzen, uns zuschauen und sich mit uns freuen, wenn uns etwas gelingt. Ich glaube, dass sie glücklich sind, wenn wir glücklich sind", so die Linzerin.