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Wuzzel-Champ Jobstmann: "Das ist kein Beisl-Sport!"

Heute Redaktion
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Österreich hat eine Fußball-Weltmeistern! Nicht am Rasen, sondern am Tisch. Sophie Jobstmann erzählz "Heute" von ihrem Sport, Titeln, Olympia.

Wien, Laudongasse, 19 Uhr. Im Keller des Lokals „Nachbar" steht Sophie Jobstmann mit ihrem Kollegen der „Sport Union Zugfabrik Serpens United" am Wuzzel-Tisch. Sie trainiert. Ruhig, konzentriert. Kein Alkohol, kein Schreien, kaum Emotion. Die 29-Jährige hat Ehrgeiz. „Ich spiele, um zu siegen", sagt sie. Jobstmann ist Weltmeisterin am „Garlando"-Tisch. Ein Beisl-Sport? „Nein. Ich stehe seit acht Jahren täglich am Tisch, trainiere auch zu Hause." Die studierte Sozialpädagogin gibt "Heute" im ausführlichen Interview Einblicke in ihren Sport und spricht über Titel, Geld, Männer und den Olympia-Traum.

"Heute": Sophie, wie wird man Tischfußball-Profi?

Sophie Jobstmann: "Durch Training und Disziplin. Ich spiele seit acht Jahren, habe zu Hause einen eigenen Tisch, an dem ich praktisch täglich stehe. Vor einer WM wird fünf bis sechs Wochen besonders intensiv trainiert."

"Heute": Wie bist du überhaupt zu dem Sport gekommen?

Jobstmann: "Es war fast wie das Beisl-Sport-Klischee. Beim Schuleschwänzen war ich im Tischtennis-Center, dort ist ein Wuzzler gestanden. Dann bin ich mit den richtigen Leuten zusammengekommen. Ich habe in meinem Stammlokal nur so zum Spaß gespielt, dann meine Trainerin Astrid Franz kennengelernt. Das Stammlokal wurde zum Vereinslokal. Wusste vorher nicht, dass man Tischfußball im Verein spielen kann."

"Heute": Wie war der Weg zur Weltmeisterin?

Jobstmann: "Erst habe ich in der Vereinsliga gespielt, ganz unten angefangen. Pro Jahr sind wir eine Liga aufgestiegen bis in die erste Liga. Dann kamen die Turniere, zuerst nur in Österreich, dann europaweit. Erst war nur Ungarn am Programm, dann Deutschland, dann Frankreich, zum Beispiel Paris und Nantes. Das ist leider nicht ganz billig, die Auslandsreisen muss man komplett selbst finanzieren."

"Heute": Wie sieht das Vereinsleben aus? Spielt man mit ein paar Bier am Abend oder ist es so hochprofessionell strukturiert wie bei einem Fußballklub?

Jobstmann: "Wir spielen pro Abend etwa drei Stunden. Da wir nur einen Tisch haben müssen wir uns abwechseln, weil wir mehr als vier Personen sind. Wir sind auch privat befreundet, deswegen wird nicht nur knallhart trainiert, sondern auch geplaudert."

"Heute":Wie kann man sich das Training vorstellen? Gibt es Aufwärmprogramme, werden die Abläufe gezielt trainiert?

Jobstmann: "Beliebt ist Two-Ball, da spielt man mit zwei Bällen. Das ist gut zum Aufwärmen. Danach spielt man ernsthafte Partien mit viel Konzentration und wenig Reden. Bei Turnieren darf man während der Partien ohnehin nicht reden."

"Heute": Wie sieht es mit dem Geld aus? Kann man vom Tischfußball leben?

Jobstmann: "Da gibt es leider nicht viel zu verdienen. Bei der WM bin ich nach den Hotelkosten und der Verpflegung mit einem ganz kleinen Plus ausgestiegen. Es gibt Preisgelder, die abhängig von der Teilnehmerzahl sind. Es ist leider mehr die Hobby-Schiene, wir sind auch nicht als Sport anerkannt, obwohl wir uns darum bemühen. Wir sind jedenfalls kein Beisl-Sport."

"Heute": Wie sieht es mit den Ligen in Österreich und weltweit aus?

Jobstmann: "Es gibt Ligen in Österreich und es gibt eine Champions League wie im Fußball. Wie im echten Fußball sind in meinem Team auch zwei Spielerinnen aus dem Ausland. Das bewegt sich auf einer europaweiten Ebene."

"Heute": Wie viel Ehrgeiz ist dabei, wenn man kaum etwas verdienen kann und dennoch um die großen Titel mitspielt?

Jobstmann: "Ich will schon gewinnen. Egal ob im Einzel, Doppel, Nationalteam oder Champions League. Man tritt an um zu gewinnen."

"Heute": Wie geht es bei den Turnieren am Tisch zu?

Jobstmann: "Es kann sehr hitzig werden. Man steht einen Meter vom Gegner entfernt. Da wird schon mal geschrien, entweder aus Ärger oder Jubel."

"Heute": Wie schaut es mit den Regeln aus? Ohne Mitte und ohne Durchdrehen?

Jobstmann: Durchdrehen ist erlaubt, aber nur eine Umdrehung, das nennt man Snake-Shot. Den kann man nicht auf Reaktion halten. Mitte zählt auch, man kann mit jeder Stange ein Tor schießen. Es gibt auf Wunsch auch Schiedsrichter. Wenn man zu hart an die Bande anschlägt und dem Gegner den Ball wegschlägt, ist es ein Foul. Dann bekommt der Gegner den Ball. Es gibt keine Gelben und Roten Karten, aber Zeitstrafen. Man muss in einer bestimmten Zeit den Ball abspielen. Außerdem gibt es Verwarnungen, nach drei Verwarnungen bekommt man ein 'Technical', das ist wie ein Elfmeter, ein Freischuss."

"Heute": Worauf kommt es an, wenn man ein guter Tischfußball-Spieler werden will?

Jobstmann: "Reaktionsschnelligkeit, Technik, Taktik. Man benötigt Talent, Ballgefühl. Wenn man das nicht hat wird es schwer, das kann man sich nicht antrainieren. Eine gute Hand-Auge-Koordination ist wichtig, ebenso Reaktionsschnelligkeit. Und Geduld. Man muss mental sehr stark sein. Viele Spiele werden mental entschieden."

"Heute": Gibt es in diesem Zusammenhang versuchte Einflussnahme auf den Gegner?

Jobstmann: "Definitiv. Während dem Spiel darf man nicht reden, aber bei einem Tor wird dem Gegner oft provokant ins Gesicht geschrien. Mir ist das zum Glück egal. Es gibt ungewollte Tore, da entschuldigt man sich. Manche Leute machen das aber absichtlich nicht, das kann einen auch fertigmachen. Man kann den Gegner auch mit Fouls provozieren, wenn kein Schiri am Tisch ist. Psycho-Spielchen gehören dazu. Prinzipiell ärgere ich mich selbst nur ganz kurz, hake das aber schnell ab. Bei ungewollten Toren ärgere ich mich, wenn man darüber jubelt. Aber wenn man im Nationalteam im Finale steht, jubelt man einfach über jedes Tor. Respekt vor dem Gegner ist wichtig. Mich ärgert, wenn jemand keinen Respekt vor mir hat."

"Heute": Finden die Spiele getrennt nach Geschlechtern statt, oder spielen auch Männer gegen Frauen?

Jobstmann: "Grundsätzlich werden die Geschlechter getrennt, vor allem bei großen Turnieren und der WM. Es gibt aber auch das Mixed-Doppel. Das Geschlecht macht leider einen Unterschied. Ich kann es mir schwer erklären, sonderlich viel Kraft braucht man eigentlich nicht. Ich glaube aber, dass Männer den Biss mehr haben, das Gewinner-Gen, den Killer-Instinkt. Das haben gewisse Frauen auch, aber wenige. Deswegen gibt es da leider einen Unterschied. Auch bei der Geschwindigkeit und Reaktionsschnelle. Große Hände sind womöglich ein Vorteil bei der Schusstechnik."

"Heute": Wie sieht es mit dem Material aus? Ist bestimmte Kleidung notwendig?

Jobstmann: "Es gibt einen Dresscode. Sportschuhe, ein Trikot. Mit Jeans darf man nicht spielen. Wir haben Griff-Bänder, die man im Tennis verwendet. Die werden um den Griff gewickelt, kosten ein bis zwei Euro. Es gibt aber auch eigene Griffe, die man am Tisch montieren kann. Ein Spiel dauert mindestens eine halbe Stunde, da kommt man schon ins Schwitzen."

"Heute": Wie ist die Zählweise?

Jobstmann: "Best of Five, drei gewonnene Sätze. Ein Satz geht auf fünf Tore. Im Entscheidungssatz geht es auf höchstens acht Tore, wobei zum Sieg zwei Tore Abstand nötig sind. Haben beide sieben Tore, dann gibt es ein Entscheidungstor."

"Heute": In vielen Lokalen gibt es Tischfußball-Tische. Dort spielst du auch. Wie sind die Reaktionen im Alltag, wenn du gegen "Amateure" spielst?

Jobstmann: "Die sind super. Es gibt nichts besseres, als wenn zwei Burschen mich und meine Freundinnen fordern. Bei präpotenten Menschen nütze ich das aus und schau, dass ich sie womöglich ohne Gegentor schlage. Später kommt dann oft der Respekt. Die Leute sind baff, dass man das kontrolliert spielen kann. Vorher kommen oft die blöden Sprüche."

"Heute": Sollte man berühmt sein? Wie ist die Situation des Sports?

Jobstmann: "Es wäre super, wenn Tischfußball olympisch wird. Der Sport wird weltweit gespielt, in China angeblich sogar an Schulen unterrichtet. Ich vergleiche es gerne mit Tischtennis. Wobei das Problem ist, dass Tischtennis auf einem Belag gespielt wird, und es beim Tischfußball fünf verschiedene Wettkampf-Tische gibt."

"Heute": Welches Alter ist ideal, um Tischfußball zu spielen?

Jobstmann: "Es gibt kein ideales Alter. Wir haben bei unseren Junioren einen sehr talentierten Achtjährigen. Unsere Jüngsten stehen auf Brettern, damit sie auf den Tisch schauen können. Wir haben auch Senioren, von 50 bis über 70. Da wird es aber langsamer und entspannter zum Zuschauen."