Niederösterreich

"Zu 20 auf Schlauchboot 20 Stunden durchs Mittelmeer"

Bileg G. (34) flüchtete mit Sohn aus Tunesien: "Es ging 20 Stunden über das Mittelmeer." Jetzt sind beide im bummvollen Lager Traiskirchen.

Bileg G. und sein 12-jähriger Sohn Mohammad kamen nach einer abenteuerlichen Flucht nach Österreich, sind nun seit 2 Wochen im Erstlager Traiskirchen.
Bileg G. und sein 12-jähriger Sohn Mohammad kamen nach einer abenteuerlichen Flucht nach Österreich, sind nun seit 2 Wochen im Erstlager Traiskirchen.
Thomas Lenger

Das Asyllager Traiskirchen (Bezirk Baden) wird vom Bund betreut und wurde oft als Massenlager kritisiert. Immer wieder war das Erstaufnahmezentrum bummvoll, auch Mitte Jänner beim "Heute"-Lokalaugenschein am 13. und 14. Jänner 2023, war das Erstaufnahmezentrum voll belegt. Und täglich strömen neue Flüchtlinge nach Traiskirchen.

Abenteuerliche Flucht ohne Frau und Töchter

Vor rund zwei Wochen waren auch Bileg G. (34) und sein Sohn Mohammad G. (12) nach einer abenteuerlichen Flucht endlich in Traiskirchen angekommen. "Ich werde in meinem Land verfolgt und musste ins Gefängnis. Auch meinen Sohn haben sie geschlagen und daher mussten wir flüchten, wir hatten kaum eine andere Wahl", erklärt der Tunesier.

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    Bileg G.musste mit seinem Sohn Mohammad aus Tunesien flüchten.
    Bileg G.musste mit seinem Sohn Mohammad aus Tunesien flüchten.

    Mit einem Schlauchboot mit 18 weiteren Passagieren ging es schließlich rund 20 Stunden über das Mittelmeer. Vater und Sohn kamen unversehrt in Österreich an und sind heilfroh, endlich in Sicherheit zu sein. "Ich habe in einem Hotel gearbeitet, habe dadurch viele Österreicher kennengelernt. Die waren alle sehr freundlich und darum wollte ich unbedingt nach Österreich", erklärt der 34-Jährige gegenüber "Heute".

    Acht Personen in einem Zimmer

    Dass der Tunesier erst rund 14 Tage in Österreich ist, ist aufgrund der bemerkenswerten Deutschkenntnisse kaum zu glauben. Primär sind Vater und Sohn erstmal froh und dankbar, ein Dach über dem Kopf zu haben: "Wir leben hier im Lager in einem kleinen Zimmer mit insgesamt acht Personen. Aber es ist besser, da wir in Sicherheit sind", meint Bileg G. Aber: "Ich musste meine Frau und zwei kleinen Töchter zurücklassen", erzählt der Nordafrikaner traurig. 

    Die Versorgung im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen sei laut den zwei Tunesiern in Ordnung, der Umgang sei OK, nur: "Es sind halt schon sehr, sehr viele Leute hier", meint Bileg G. 

    Andi Babler hilft und hilft

    Dies bestätigt auch Traiskirchens Stadtchef Andreas Babler (SP), der unermüdlich im Einsatz für die Flüchtlinge ist. Der rote Politiker wird nicht müde, über Missstände und übervolle Quartiere zu berichten und stets selbst anzupacken - mehr dazu hier. Zuletzt machte er im NÖ-Wahlkampf mit der Ankündigung, sein volles Landtagsabgeordnetengehalt, sofern er es in den Landtag schafft, für soziale Zwecke zu spenden, aufmerksam.

    1.700 Menschen in Traiskirchen

    Rund 1.700 Menschen würden derzeit im Asyllager Traiskirchen sein (Anm.: Stand laut Andreas Babler 15.1. 2023): "Viel zu viel, wenn man bedenkt, dass Fekter/Pröll einst 480 als Höchstgrenze festgelegt hatten." Fast jeden Samstag ist Andreas Babler selbst neben dem Asyllager vor Ort, um zu helfen: "Im sogenannten Garten der Begegnung werden Hilfsgüter verteilt. Das rennt sehr organisiert und professionell ab, damit wirklich jeder das richtige Teil bekommt. Mit den Kindern spielen wir, knüpfen Bänder und sind einfach für die Menschen da", erzählt Andreas Babler, der auch am Samstag, 14.1. erneut vor Ort war, dabei die kleine "Maria" (Schreibweise offen, Anm.) in den Händen hielt und kräftig Hilfsgüter und Kleidung verteilte.

    "Zahl künstlich hochgehalten"

    "Die Kleine kam vor einigen Wochen hier zur Welt", so Andreas Babler sichtlich gerührt. Über die Asyl-Politik schüttelt der rote Ortschef nur den Kopf: "Mit den Bildern vom Asylchaos und überfüllten Lagern werden Wähler bedient. Dabei sind die Asylzahlen seit Wochen stark rückläufig, das ist saisonal bedingt. Dabei müssten wir nur neue Unterkünfte aufmachen, mehrere Gemeinden wären dazu auch bereit. Aber nein, die Zahl in Traiskirchen wird künstlich hochgehalten. Und wer ist verantwortlich dafür? Der blaue Asyllandesrat und die schwarze Landeshauptfrau. Und dann macht die FP noch dazu eine Pressekonferenz mit Landbauer/Kunasek in Traiskirchen. Ich denke, dass die Menschen und Wähler genug haben von dieser verlogenen, teils abgehobenen Politik."

    1.650 laut Ministerium

    Laut Ministerium liegt der derzeitige Belag bei rund 1.650 Menschen (Maximum liegt bei knapp über 1.800 – dieser Höchststand war im letzten Herbst auch mehrfach erreicht worden, Anm.).

    Denn das Grundversorgungssystem war durch die hohen Zahlen an Aufgriffen im Oktober und November an der Belastungsgrenze angekommen. Davon war eben auch der Standort Traiskirchen betroffen.

    Wesentlich sei auch zu erwähnen, dass die Gesamtzahl der aktiven Bundesbetreuungseinrichtungen auf 26 Einrichtungen erweitert wurde. Auf Bundesebene fände eine laufende Evaluierung und Maßnahmensetzung im Hinblick auf die Generierung zusätzlicher Standorte zur Unterbringung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder statt. Weiters erfolge im Rahmen des Bund-Länder-Koordinationsrats sowie weiteren Gremien ein dahingehender regelmäßiger Austausch mit den Bundesländern. Die BBU arbeite mit Nachdruck und in Zusammenarbeit mit den Bundesländern an der Überstellung von Personen in die Landes-Grundversorgung und damit an einer Entspannung der Belagssituation in den Bundesquartieren.

    Schleppungen massiv eingeschränkt

    Aus dem Innenministerium heißt es, dass die Zahl der Aufgriffe zuletzt massiv zurückgegangen sei - ein Rückgang von bis zu 70 Prozent. Dieser Umstand ist unter anderem auf das Ende der Visafreiheit für indische und tunesische Staatsbürger in Serbien zurückzuführen. Denn rund 80 % der Inder und Tunesier seien durch Schlepperorganisationen weitergereist (Kosten der Schleppung 2.000 bis 5.000 Euro). Durch das Ende der Visafreiheit in Serbien wurde die „Geschäftsgrundlage“ für die Schleppermafia massiv eingeschränkt. 2022 hatten rund 30.000 Tunesier und Inder in Österreich um Asyl angesucht.

    Jetzt durchklicken: Die Bilder vor Ort vom September 2022

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      Das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen.
      Das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen.
      Thomas Lenger