Klimaschutz

Lebensmittel – Video dokumentiert Wegwerfgesellschaft

Jede Sekunde wird hierzulande eine Mülltonne voll Lebensmittel weggeworfen. Ein Video, das Greenpeace zugespielt wurde, macht "Konsumwahn" sichtbar.

Lydia Matzka-Saboi
Teilen
Das Schock-Video enthüllt Lebensmittelverschwendung in Österreich.
Das Schock-Video enthüllt Lebensmittelverschwendung in Österreich.
Greenpeace

In Österreich wird jährlich etwa eine Million Tonnen intakter Lebensmittel weggeworfen. Ein der Umweltschutzorganisation Greenpeace zugespieltes Video zeigt nun in Bildern den alltäglichen "Konsumwahnsinn". Unfassbare Mengen an originalverpacktem Fleisch sowie Produkte, die in den heimischen Supermärkten nicht verkauft wurden, stapeln sich in der Lagerhalle einer Müllverbrennungsanlage.

Greenpeace-Experte Sebastian Theissing-Matei kennt die Zahlen und zeigt sich über die von einem besorgten Bürger aufgenommenen Bilder schockiert. Zu Weihnachten sei das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung laut Anrainern der Müllverbrennungsanlage am schlimmsten. 

"Wir müssen diese skandalöse Verschwendung von wertvollen Lebensmitteln bis 2030 zumindest halbieren", fordert Theissing-Matei die Politik zum Handeln auf. Greenpeace will einen ambitionierten Aktionsplan für alle Branchen, wo Lebensmittelverschwendung anfällt.

Acht Prozent der weltweiten Emissionen

In nur einem Jahr werden weltweit ca 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeworfen oder gehen entlang der Wertschöpfungskette verloren. Das ist rund ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel. Bereits mit einem Viertel dieser Menge könnte Berechnungen von Greenpeace zufolge "theoretisch der globale Hunger gestillt werden".

Die für den Anbau von produzierten, aber nicht konsumierten Lebensmitteln benötigte Fläche stellt mit 1,4 Milliarden Hektar fast 30 Prozent der weltweiten Agrarfläche dar. Lebensmittelverschwendung verringert dadurch die Ernährungssicherheit und steigert den Flächenbedarf.

Die Verschwendung kostbarer Lebensmittel heizt außerdem die Klimakrise weiter an. Rund 4,4 Gigatonnen an CO2-Äquvivalenten gehen auf das Konto von Lebensmittelverschwendung – das entspricht in etwa acht Prozent des CO2-Gesamtausstoßes weltweit sowie beinahe den gesamten Emissionen der EU-Länder im Jahr 2018 (mit 4,2 Gigatonnen).

Hebel für Klimaschutz

Österreich liegt mit seinen  enormen Mengen an Lebensmittelverschwendung deutlich über dem Durchschnitt in der EU. Hierzulande beläuft sich die Summe der vermeidbaren Lebensmittelabfälle auf etwa eine Million Tonnen pro Jahr. Das entspricht einer Mülltonne (fast 35 kg) jede Sekunde.

"Die Reduktion von Lebensmittelverschwendung ist ein wichtiger Hebel für unsere Ernährungssicherheit, für die Schonung unserer Ressourcen und des Klimas", sagte Greenpeace-Experte Sebastian Theissing-Matei.

Eine Reduktion der vermeidbaren Lebensmittelabfälle um 25 Prozent könnte den Nahrungsmittelbedarf in Österreich mit 100 Prozent Bio-Landwirtschaft decken. Vermeidbare Lebensmittelabfälle in Österreich verursachen jährlich 1.306.950 Tonnen Treibhausgasemissionen. Bereits eine Reduktion der vermeidbaren Lebensmittel um zehn Prozent könnte 130.000 Tonnen Treibhausgasemissionen pro Jahr einsparen.

Am meisten Lebensmittelabfälle fallen in privaten Haushalten an, nämlich 521.000 Tonnen im Jahr. Das entspricht etwa der Hälfte der gesamten vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Österreich.
Am meisten Lebensmittelabfälle fallen in privaten Haushalten an, nämlich 521.000 Tonnen im Jahr. Das entspricht etwa der Hälfte der gesamten vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Österreich.
ABF/BOKU/Greenpeace

Wo fallen die meisten Lebensmittelabfälle an?

In der Landwirtschaft (167.000 Tonnen pro Jahr) sind die Gründe für die vermeidbaren Lebensmittelabfälle unter anderem Verluste bei der Ernte sowie Verarbeitungsschäden, mangelnde Lagerfähigkeit sowie das Nichterfüllen der Vorgaben der Lebensmittelindustrie (Qualität, Form, Farbe, Größe etc.).

In der Produktion von Lebensmitteln (industrielle Verarbeitung) fallen jährlich weitere 121.800 Tonnen an. Zu den Ursachen gehören etwa technische Störungen im Betrieb, falsches Gewicht der Produkte, Fehletikettierungen, Beschädigungen oder Verderb der Ware sowie Sortimentswechsel, Verpackungsneugestaltung und Saisonwarenproduktion. Mit 35.000 Tonnen machen Brot und Gebäck (im Handel nicht verkauft und daher retourniert), etwa ein Viertel dieser Lebensmittelverluste aus.

Im Handel fallen 89.500 Tonnen Lebensmittelabfälle pro Jahr an, von denen etwa 12.000 Tonnen an soziale Einrichtungen weitergegeben werden. Lebensmittelabfälle im Handel gelten als äußerst vermeidbar, da sie großteils konsumfertig sind. Als Ursachen gelten der Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums, Saisonartikel (beispielsweise Weihnachtskekse), Sortimentswechsel, beschädigte Lebensmittel und auch die angestrebte permanente Verfügbarkeit, Vielfalt, Convenience und Makellosigkeit.

In der Außer-Haus-Verpflegung, etwa in der Gastronomie, Großküche und Hotels, fallen jährlich 175.000 Tonnen Lebensmittelabfälle an. Ursachen in diesem Bereich sind Tellerreste durch zu große Portionen, nicht ausgegebene Speisen und Buffetreste.

In privaten Haushalten fallen jährlich 521.000 Tonnen Lebensmittelabfälle an. Das entspricht etwa der Hälfte der gesamten vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Österreich. Ursachen hierfür sind unter anderem ungeprüftes Wegwerfen wegen abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum, falsche Planung oder Lagerung, zu große Einkaufsmengen oder ungeplantes Auswärtsessen.

Ein Grund für Lebensmittelverschwendung ist die falsche Interpretation des Mindesthaltbarkeitsdatums. Österreichische Haushalte verlieren im Schnitt 800 Euro im Jahr, die sie für Lebensmittel ausgeben, aber nicht konsumieren.
Ein Grund für Lebensmittelverschwendung ist die falsche Interpretation des Mindesthaltbarkeitsdatums. Österreichische Haushalte verlieren im Schnitt 800 Euro im Jahr, die sie für Lebensmittel ausgeben, aber nicht konsumieren.
Land schafft Leben 2021

"Haltbar bis…" und nicht "tödlich ab…"

Ein Grund für Lebensmittelverschwendung ist die falsche Interpretation des Mindesthaltbarkeitsdatums. Es bedeutet "mindestens haltbar bis" und nicht "tödlich ab"… Im englischen Raum heißt es "best before" ("am besten bis").

Bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum garantiert der Hersteller, dass das Produkt bei ordnungsgemäßer Lagerung alle vorgegebenen Eigenschaften behält. Ist ein Produkt abgelaufen, sollte man Geruch, Aussehen und Beschaffenheit testen. Ist es nicht auffällig, kann es bedenkenlos verzehrt werden.

;