Eigentlich sollte hier leistbarer Wohnraum entstehen – ein Vorzeigeprojekt im 20. Bezirk. Doch wo einst Sozialwohnungen versprochen wurden, erhebt sich heute ein 80 Meter hoher Wohnturm, der mit 24-Stunden-Rezeption, Dachgarten und Podcast-Studio wirbt. Die Preise? Über 2.400 Euro Warmmiete für gerade einmal 69 Quadratmeter. In der teuersten Einheit werden knapp 3.500 Euro verlangt – in einem der einkommensschwächsten Bezirke Wiens.
Die Empörung lässt nicht lange auf sich warten: Für die KPÖ ist das sogenannte "bunte Hochhaus" in der Dresdner Straße 90 ein Symbol für alles, was in Wien beim Wohnbau schiefläuft. Bezirksrat Matthias Kaltenböck spricht von einem "Luxusghetto", das sich nicht nur von der Nachbarschaft, sondern von der Realität der Menschen im Grätzel abkapselt.
"Statt der versprochenen leistbaren Wohnungen entsteht hier ein abgeschottetes Luxusghetto, sinnbildlich für alles, was der Bevölkerung am Nordwestbahnhof droht", warnt Kaltenböck. Die Kritik der KPÖ trifft vor allem die Stadtregierung: Das Projekt sei einst als leistbarer Wohnbau unter Mitwirkung stadtnaher Unternehmen gestartet – und endete im Ausverkauf an einen milliardenschweren US-Konzern.
Das Hochhaus sei nicht nur teuer, sondern gezielt auf eine zahlungskräftige Klientel zugeschnitten: Yoga-Zone, Fitnessstudio, Private-Dining-Room, Gaming-Lounge, Security rund um die Uhr. Ein Ort der Selbstinszenierung statt des Zusammenlebens. "Anstatt eines abgeschotteten, 24h bewachten Luxusghetto-Hochhauses brauchen wir Gemeindebauten mit Wohnungen, die sich die normale Bevölkerung leisten kann", so Kaltenböck.
Was die Situation besonders brisant macht: Ursprünglich befand sich die Fläche im Besitz der stadtnahen Wohnbaugesellschaften Arwag und Migra. 2013 erwarben sie das Grundstück um sechs Millionen Euro. Drei Jahre später präsentierte man es als Vorzeigeprojekt für leistbares Wohnen – mit dem Versprechen, dass die Hälfte der geplanten 400 Wohnungen gefördert werde.
Doch bereits 2017 wurde diese Zusage auf nur ein Drittel reduziert – und das auch nur für zehn Jahre. Der nächste Schritt: Der Gemeinderat änderte die Flächenwidmung, genehmigte ein Hochhaus – und machte das Grundstück damit massiv mehr wert. 2018 verkauften Arwag und Migra die Liegenschaft um 28 Millionen Euro an die S+B Projektentwicklungs GmbH. Und 2022, noch vor dem ersten Spatenstich, ging das gesamte Gebäude für unglaubliche 180 Millionen Euro an den US-Konzern Greystar.
Besonders pikant: Neben den 262 Luxuswohnungen werden ab August auch 120 sogenannte Serviced Apartments in den unteren Stockwerken vermietet. Dabei handelt es sich um Kurzzeitwohnungen – zu noch höheren Preisen, ohne Mietrecht, ohne Mietzinsbegrenzung.
„Wären diese Apartments ordnungsgemäß als Wohnraum gewidmet, müssten laut Vertrag mindestens 40 davon gefördert sein. Das wäre rechtlich vorgeschrieben. Stattdessen nutzt man hier bewusst eine Lücke – genehmigt durch die Stadt.“Matthias KaltenböckKPÖ-Brigittenau
Die KPÖ fordert, die Bewilligung für diese Form der Kurzzeitvermietung sofort zu entziehen und solche Strategien in Zukunft zu verbieten. Für Kaltenböck ist klar: "Jede freifinanzierte Wohnung ist eine zu viel – und jeder dieser Tricks ist ein Schlag ins Gesicht für all jene, die leistbaren Wohnraum suchen."
Das Hochhaus in der Dresdner Straße ist auf der offiziellen Website der Stadt Wien als "Tor zum Nordwestbahnhof" gelistet – ein Stadtentwicklungsgebiet, in dem in den kommenden Jahren rund 16.000 Wohnungen entstehen sollen. Doch die KPÖ sieht darin kein Aufbruchsignal, sondern einen "Vorgeschmack auf das, was droht".
Laut den aktuellen Plänen sind dort maximal 60 Prozent geförderter Wohnbau vorgesehen – obwohl die offiziellen Richtlinien 66 Prozent verlangen. Nur ein Drittel davon soll Gemeindebau sein. Dazu sollen vier weitere Hochhäuser mit mindestens 80 Metern Höhe entstehen – eines davon auf dem Gelände einer Kleingartensiedlung.
"Wir wollen nicht, dass am Nordwestbahnhofareal ein weiteres abgeschottetes Luxusghetto mit unbezahlbaren Wohnungen entsteht, worauf das 'bunte' Hochhaus einen bitteren Vorgeschmack gibt", sagt Kaltenböck. Seine Forderung: ausschließlich Gemeindewohnungen, eine klare Widmungspolitik und das Ende der Investoren-Logik im geförderten Wohnbau.