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Ab welcher Temperatur das Wetter zum Problem wird

Die steigende Zahl an Hitzewellen haben Auswirkungen auf Mensch, Tier und Pflanze. Wann die Temperaturen für Organismen lebensgefährlich werden.

Sabine Primes
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Wüstenähnliche Landschaften könnten sich verbreiten, wenn die Temperaturen weiterhin steigen.
Wüstenähnliche Landschaften könnten sich verbreiten, wenn die Temperaturen weiterhin steigen.
Getty Images

Die nächste Hitzewelle steht kurz bevor. Sie wird kurz, aber intensiv ausfallen. Heute und morgen stehen im Osten und Süden bereits Werte um 35 Grad auf dem Programm, der Höhepunkt der Hitzewelle wird am Donnerstag erreicht. Temperaturen bis zu 38 Grad in Richtung Osten, sind zu erwarten, ehe schwere Gewitter der Hitzewelle wieder ein Ende bereiten.

Aber nicht jeder Körper kann mit Hitze gut umgehen. Manchen kann es gar nicht Sonne genug sein, die anderen haben bei 25 Grad ihr Limit bereits erreicht. Das gilt nicht nur für den Menschen, sondern auch für das Tier- und Pflanzenreich. Das schreibt Prof. Senthold Asseng, Direktor des Hans Eisenmann-Forums für Agrarwissenschaften an der Technischen Universität München, in seiner Studie in "The Lancet".

Wann wird es für den Menschen zu heiß?

Bei hoher Luftfeuchtigkeit beginnt eine leichte Hitzebelastung für den Menschen bei etwa 23 Grad Celsius und bei niedriger Luftfeuchtigkeit bei 27 Grad Celsius. „Wenn Menschen längere Zeit Temperaturen über 32 Grad Celsius bei extrem hoher Luftfeuchtigkeit oder über 45 Grad Celsius bei extrem niedriger Luftfeuchtigkeit ausgesetzt sind, kann das tödlich sein“, sagt Prof. Senthold Asseng. „Extremhitzeereignisse mit Temperaturen weit über 40 Grad Celsius, wie sie gerade an der amerikanischen Westküste zu beobachten sind, erfordern daher technische Unterstützung etwa in Form von klimatisierten Räumen.“

Kühle Stadtplanung zur Hitzereduzierung

Zur Abschwächung der zunehmenden Hitzebelastung nennt Prof. Asseng weitere Strategien, etwa eine verstärkte natürliche Beschattung durch Bäume oder eine bauliche Beschattung. Auch Städte und Gebäude so umzugestalten, dass sie temperaturpassiver sind, beispielsweise durch hellere, reflektierende Dach- und Wandfarben oder eine verbesserte Wand- und Dachisolierung, kann die Hitzebelastung reduzieren.

Wie wirken sich hohe Temperaturen auf Nutztiere aus?

Bei Rindern und Schweinen treten Hitzebelastungen bei 24 Grad Celsius bei hoher Luftfeuchtigkeit und bei 29 Grad Celsius bei niedriger Luftfeuchtigkeit auf. Die Milchleistung bei Kühen kann um 10 bis 20 Prozent sinken, wenn sie einer Hitzebelastung ausgesetzt sind und auch die Mastleistung von Schweinen reduziert sich. Der angenehme Temperaturbereich für Geflügel liegt bei 15 bis 20 Grad Celsius. Eine leichte Hitzebelastung erfahren Hühner bei 30 Grad Celsius, ab 37 Grad empfinden sie eine starke Hitzebelastung, und die Lege-Rate geht zurück.

Verringerter Wachstum bei Nutztieren

Hitzestress führt insgesamt zu einem verringerten Wachstum von Rindern und Milchkühen, Schweinen, Hühnern und anderen Nutztieren, das bedeutet niedrigere Erträge und Reproduktionsleistungen. „Es gibt Beispiele für evolutionäre Anpassungen an warmes Wetter bei Landsäugetieren. Die Siebenbürger Nackthühner sind wegen einer komplexen genetischen Mutation, die das Federwachstum unterdrückt, hitzetoleranter als andere Hühner. Sie sind von Natur aus klimatisiert, weil ihnen die Federn am Hals fehlen“, sagt Prof. Asseng.

Wie erlebt die Pflanzenwelt große Hitze?

„Bei Nutzpflanzen scheinen die optimale Temperaturzone und die Temperaturschwellenwerte aufgrund von Unterschieden zwischen Arten und Sorten, vielfältiger zu sein“, erklärt Prof. Asseng.

Kaltzeitige Pflanzen wie Weizen gedeihen beispielsweise besser bei kühleren Temperaturen. Warmzeitige Pflanzen wie Mais sind zwar frostempfindlich, vertragen aber wärmere Temperaturen. Anpassungsstrategien für Hitzestress beim Pflanzenbau sind Änderungen des Pflanzdatums, um Hitzestress später in der Saison zu vermeiden, falls machbar, Bewässerung, die Umstellung auf hitzetolerantere Pflanzen oder die Züchtung auf Hitzetoleranz.

Wie beeinflusst der Klimawandel das Leben auf der Erde?

„Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten 45 bis 70 Prozent der globalen Landfläche von Klimabedingungen betroffen sein, bei denen der Mensch ohne technische Hilfen, wie etwa Klimaanlagen, nicht mehr überleben kann. Derzeit sind es 12 Prozent“, sagt Prof. Asseng. Das bedeutet, dass in Zukunft 44 bis 75 Prozent der menschlichen Bevölkerung chronisch durch Hitze gestresst sein werden. Eine ähnliche Zunahme der Hitzebelastung ist für Vieh, Geflügel, Nutzpflanzen und andere lebende Organismen zu erwarten.

Genetische Klimaanpassung dauert mehrere Generationen

„Eine genetische Anpassung an das geänderte Klima benötigt oft viele Generationen und die verfügbare Zeit ist für viele höhere Lebensformen zu kurz. Wenn die derzeitigen Klimaentwicklungen so weitergehen, könnten viele Lebewesen vom Temperaturwandel schwer betroffen sein oder sogar ganz von der Erde verschwinden“, resümiert Prof. Asseng.