Ein Jahr nach dem aufsehenerregenden Prozess am Wiener Landesgericht meldet sich der als "Obdachlosenkiller" bekannt gewordene Jugendliche aus der Justizanstalt Garsten zu Wort. Der heute 19-Jährige, der im Sommer 2023 zwei wohnungslose Männer getötet und eine Frau schwer verletzt hatte, spricht über seinen Alltag im Gefängnis, seine psychische Entwicklung und seinen Blick auf die eigenen Taten.
Der Wiener wirkt deutlich jünger als 19. Schlank, zurückhaltend, fast schüchtern. "Ich habe im Gefängnis zugenommen", sagt er im Interview mit der "Krone". Er fühle sich körperlich stabiler, "weil ich jetzt von den Drogen weg bin".
Seine Verbrechen hatten Wien im Sommer 2023 in Alarmbereitschaft versetzt. Mit 16 suchte er nachts laut eigenen Angaben "nach einfachen Opfern" und handelte aus einer "unbändigen Lust zu töten".
– Am 12. Juli tötete er am Handelskai einen schlafenden Obdachlosen.
– Am 22. Juli attackierte er eine im Prater liegende Frau, die überlebte.
– Am 9. August erstach er einen Mann in einer Gürtelunterführung.
Trotz Videoaufnahmen blieb er unerkannt. Erst am 11. Dezember 2023 stellte er sich selbst: "Ich bin der gesuchte Obdachlosenkiller."
In den Verhören berichtete er von einer schwierigen Kindheit, geprägt durch Gewalt, psychische Erkrankung der Mutter und einem tragischen Familiendrama, bei dem seine Halbschwester getötet wurde. Psychiater stellten fest, dass diese Erlebnisse seine Persönlichkeit geprägt haben – erklärten aber, dass sie seine Taten nicht erklären oder entschuldigen.
Er selbst sagt: "Trotzdem ist das keine Entschuldigung für das, was sie und ich verbrochen haben." Und weiter: "Daher muss in mir eben irgendetwas anders sein."
Auf die Frage nach Schuld und Reue antwortet er: "Mein Gehirn versteht: Ich habe Abscheuliches getan. Aber in meinem Herzen kommt diese Botschaft nicht an." Er hoffe, dass eines Tages echter Schmerz über das Geschehene einsetze. "Erst, wenn das passiert, wird der Dämon … verschwunden sein."
Durch Therapie gebe es Fortschritte, sagt er. "Ich habe immer öfter Albträume: Ich höre das Knirschen von Knochen, ich sehe Blut … Jetzt peinigen sie mich."
Wie die "Krone" weiter berichtet, teilt er sich in Garsten eine Zelle mit zwei anderen jungen Gefangenen. Er arbeitet in der Werkstatt und beginnt bald eine Kochausbildung. Nebenbei möchte er die Matura abschließen und später Psychologie studieren, "um … über mich" zu lernen. Er zeichnet und liest viel, aktuell Dostojewskis "Schuld und Sühne".
Er habe auch begonnen, über sein Leben und seine Taten zu schreiben. Würde er eines Tages ein Buch veröffentlichen, wolle er den Erlös seinem überlebenden Opfer zukommen lassen.
Der 19-Jährige beschäftigte sich schon vor seiner Festnahme intensiv mit Serienmördern. Einen Fall hebt er besonders hervor: jenen der Doppelmörderin Estibaliz Carranza. Er fühle sich ihr "verbunden". Aber: "Nein, ich liebe nach wie vor das Mädchen, mit dem ich vor meiner Inhaftierung eine kurze Beziehung hatte."
Er habe die Beziehung retten wollen – und zugleich die psychische Anspannung nicht mehr ausgehalten. "Ich hielt die Gefahr, … überführt zu werden, nervlich nicht mehr aus." Und auch: "Ich fürchtete mich bereits vor mir selbst … dass ich abermals töten könnte."
Der Verlust seiner Halbschwester trifft ihn bis heute schwer. Als er darüber spricht, bricht er zusammen. "Ich werde nie den gewaltsamen Tod der Kleinen verkraften." Besuch erhält er von seinen Eltern und seinem Anwalt, den er "mein Vorbild, mein engster Vertrauter" nennt.
Über seine Zukunft macht er sich wenig Illusionen. "Eigentlich gar nicht", sagt er auf die Frage, ob er die Freiheit vermisse. Das Leben draußen halte er für zu stressig, hier habe er die notwendige Ruhe: "Und bevor ich das nicht bin, muss ich halt weggesperrt bleiben."