"Telemedizin ja – aber bitte in ärztlicher Hand!" Die Ärztekammer Wien läuft gegen ein neues Erstversorgungsangebot der Gesundheitskasse ÖGK Sturm. Konkret geht es um eine geplante Plattform für Videokonsultationen, die über die Hotline 1450 verfügbar sein soll. Die Ärztekammer befürchtet, dass dadurch eine ärztlich nicht kontrollierte Parallelstruktur entsteht – und hat deshalb gemeinsam mit der Ärztekammer Steiermark rechtliche Schritte gegen die Ausschreibung eingeleitet.
"Wir kritisieren nicht die Technik per se", betonte Kammer-Präsident Johannes Steinhart. Telemedizin sei längst Teil der Versorgung. Doch: "Sie muss in die bestehenden Strukturen eingebettet bleiben", ergänzte Vizepräsidentin Naghme Kamaleyan-Schmied. Besonders in Zeiten, in denen die ÖGK sparen müsse, sei es fahrlässig, neue Systeme neben funktionierenden Angeboten wie dem Ärztefunkdienst aufzubauen.
Die ÖGK wiederum sieht das völlig anders. Man wolle Menschen mit leichten Beschwerden schnell helfen – per Video und ohne langen Weg zur Ordination. Das Angebot solle nicht ersetzen, sondern ergänzen. Eine persönliche Untersuchung sei ohnehin nicht ausgeschlossen, heißt es.
Doch genau hier liegt laut Kamaleyan-Schmied das Problem: "Es darf keine anonymen Konsultationen geben, keine Medikamentenverordnung ohne Patientenkontakt." Sie warnt davor, dass der "Blick aufs Ganze" verloren geht – gerade bei Patienten, deren Symptome mehr als eine einfache Diagnose erfordern.
Auch Studien belegen den Bedarf an ärztlicher Einbettung: Eine Erhebung in 38 Ländern zeigt, dass in Österreich während der Pandemie nur 25 Prozent der Hausarztpraxen Videotools nutzten – im EU-Schnitt waren es fast doppelt so viele. Kathryn Hoffmann von der MedUni Wien empfiehlt daher: und Ärzte müssten in technische Entwicklungen eingebunden sein, Telemedizin funktioniere nur im Rahmen langfristiger Betreuung.
Die Gesundheitskasse kann die Aufregung der Kammer nicht nachvollziehen. In einer Aussendung sprach man von einer "Blockadehaltung", die dem Fortschritt schade. Es gehe schließlich um niedrigschwellige, sichere Beratung – und um konkrete Vorteile: keine Anfahrt, keine Wartezeit, mehr Barrierefreiheit.
Ob das Projekt nun angepasst werden muss oder ganz gestoppt wird, entscheidet das Gericht. Die Ärztekammer bleibt jedenfalls dabei: Telemedizin ja – aber nur mit echten Vertrauensärzten.