"Das typische Wiener Kaffeehaus, das in der ganzen Welt berühmt ist, ist in Wirklichkeit ein Ort, wo Leute alleine sein wollen, aber dazu Gesellschaft brauchen", stellte der österreichische Autor Thomas Bernhard († 1989) fest.
Auch die Albertina hat die Wichtigkeit der Wiener Kaffeehäuser erkannt. Die Kaffeehauskultur wird meist mit Literatur assoziiert. Im Wien des 19. Jahrhunderts war sie aber gleichermaßen Zentrum für Künstler, Schauspieler und Musiker: Der Hagengesellschaft wurde das Café zur kreativen Heimat. Die neue Ausstellung "Die Wiener Bohème" (ab 25. Juli) beleuchtet das Geschehen im Kaffeehaus.
Ab 1880 traf sich diese Gruppe regelmäßig in der Gumpendorfer Straße im Café Sperl und im Blauen Freihaus, dessen Wirt Josef Haagen namensgebend für die Ha(a)gengesellschaft wurde.
Die Mitglieder – darunter Künstler, Architekten, Musiker, Komponisten, Forscher, Journalisten und Beamte – verband eine weltoffene Haltung gegenüber dem Geist der Moderne. Obwohl sie keine offizielle Institution bildeten, waren sie Wegbereiter der beiden bedeutendsten Reformbewegungen der Wiener Kunstszene: Vierzehn Mitglieder zählten zu den Gründern der Wiener Secession im Jahr 1897, viele weitere formierten 1900 den Hagenbund.
Acht Jahre lang zeichneten sie auf den Marmortischen, die jeden Abend abgewischt wurden. Maler Ernst Stöhr hat 1888 beschlossen, die Zeichnungen auf Papier festzuhalten. 1905 wurden dann 800 Zeichnungen an die Albertina gespendet. 140 Werke werden jetzt im Museum gezeigt.
Die Werke, die auch bei Zeichenwettbewerben entstanden sind, geben Einblicke in das Leben der Männer. Sie zeigen die Runde beim Zeitung lesen, Diskutieren oder in stiller Beobachtung.
Die Hagengesellschaft war weder eine offizielle Vereinigung, noch gab es eingetragene Mitglieder. Es waren einfach Freunde, die sich regelmäßig getroffen haben. Kuratorin Elisabeth Dutz konnte für die Ausstellung einige Namen der Mitglieder eruieren und aufschlüsseln.
Und obwohl viele der Kunstwerke kleiner als ein A4-Blatt sind, stellen sie ein bedeutendes Zeitdokument eines außergewöhnlichen Netzwerks dar. Die Schau ist noch bis 12. Oktober in der Albertina zu sehen.