Gut gelaunt und optimistisch verlas Ralf Rangnick am Dienstag seinen Kader für das anstehende WM-Quali-Doppel gegen Zypern (3. September, Linz) und Bosnien (6. September). Der Teamchef plauderte über Neuling Nikolaus Wurmbrand, Rückkehrer David Alaba und Transfer-Themen – offene wie kommende. Mehr dazu hier.
Als die Kameras des ORF, der die Pressekonferenz auf Sport+ live übertrug, abgeschaltet wurde, schlug Rangnick im Wiener Prater ernstere Töne an.
Der 67-Jährige knöpfte sich seinen ehemaligen Klub Red Bull Salzburg und Meister Sturm vor.
Rangnick prangerte an: "Sehr, sehr schade und bedauerlich für Österreich und mich als Teamchef, dass keine Mannschaft in der Champions League spielt. Das Bemerkenswerte an diesen beiden Duellen ist, dass Brügge gegen Salzburg mit sechs Belgiern gespielt hat. Abgesehen von Vanaken ist von denen keiner im erweiterten Kader belgischen Nationalmannschaft. Salzburg hat mit zwei Österreichern gespielt. Zahlenverhältnis 6 zu 2. Die belgische Liga ist ähnlich wie die österreichische auch eine Ausbildungsliga."
Selbiges Ungleichgewicht ortete Rangnick bei Sturm: "Bei Bodö waren neun von elf Spielern in der Startformation Norweger. Kein einziger dieser neun ist im engsten Kader der norwegischen Nationalmannschaft. Sturm hat mit zwei Halb-Österreichern dagegen gespielt. Karic hat sich entschieden, dass er perspektivisch für Bosnien spielen würde. Grgic hat sich entschieden, dass, wenn er dann irgendwann einmal nominiert wird, gerne für Kroatien spielen möchte. Aber die Zahlenverhältnisse sind bemerkenswert."
Rangnick weiter: "Die Frage stellt sich dann: Warum ist das so? Es gibt dann nur zwei Erklärungen: Trainer wollen gewinnen, die stellen ihre besten Spieler auf. Für mich ein logischer Ansatz. Dann sind offensichtlich die Österreicher, die nicht zum Einsatz kommen, nicht gut genug. Oder die Norweger oder Belgier haben in der Breite noch mehr Qualität, als wir es haben. Für mich ist es nicht logisch, dass neun Norweger gegen zwei Österreicher 5:0 gewinnen. Und wenn wir ehrlich sind, das Spiel hätte auch höher ausgehen können."
Selbst beim ehemaligen Arbeitgeber Red Bull hält sich der Deutsche nicht zurück: "Zu meiner Zeit bei RB, in den drei Jahren wo ich für Salzburg und Leipzig zuständig war, war auch in den Jahren danach so lange Christoph (Freund) noch da war, wurden reihenweise Toptalente transferiert. Aber zu der Zeit gab es auch jede Menge Österreicher, die da gespielt haben. Also in der Startelf von Salzburg haben regelmäßig drei, vier oder fünf top österreichische Spieler gespielt. Und das ist jetzt nicht mehr so."
Was kann man tun, um auch im Nachwuchsbereich die Spieler bestmöglich auszubilden? Genau da soll Rangnicks Österreich-Tour ansetzten. "Das mache ich ja nicht einfach, weil mir als Teamchef langweilig ist. Es geht darum, die Kinder frühzeitig mit gutem Training entsprechend ausbildend und zu entwickeln."
Rangnick weiter: "Ich meine, dass es so war, wie es jetzt war. Das ist eine reine Statistik, keine subjektive Meinung. Neun gegen zwei und sechs gegen zwei, das war halt einfach so und da kann sich jeder, der sich mit Fußball beschäftigt fragen: Warum ist das so? Dass die Trainer die falschen Spieler aufstellen, unterstelle ich jetzt einmal nicht. Der Trainer stellt die beste Elf auf, die er zur Verfügung hat. Und wenn das aber dazu führt, dass es zu einer neun gegen zwei bzw. sechs gegen zwei Situation führt, dann müssen wir uns hier in Österreich schon hinterfragen."
Und: "Das ist ein Prozess, der dauert schon ein bisschen länger. Also ich kann mich nicht hinsetzen und sagen, ich hab die Lösung. Irgendwann gibt es einen anderen Teamchef und dann muss der auch noch gute Spieler haben. Alleine, wenn ich mir anschaue, wie es im Sturm aussieht. Da sitzen nicht reihenweise Spieler mit 17 oder 18, die mit den Hufen scharren."
Rangnicks Ausblick auf die unmittelbare und mittelfristige Zukunft des ÖFB-Teams: "Die Mannschaft hat noch nicht den Zenit erreicht. Die EURO hat gezeigt, dass noch mehr möglich gewesen wäre. Ich sehe in der jetzigen Mannschaft weitere Perspektiven und Entwicklungsschritte. Eins ist auch klar. Die WM wird für einige Spieler die letzte Chance sein, international aufzuzeigen, um was zu erreichen. Bei der EURO wird dann ein kleiner Staatswechsel passieren. Auch, was die Spieler angeht. Und spätestens bei WM 2030 wird der ein oder andere altersbedingt nicht mehr spielen."