FPÖ-ÖVP auf der Kippe

"Pure Provokation" – Experte zum blau-schwarzen Krimi

Die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP stocken, die Partei-Chefs müssen zum Rapport in die Hofburg. Das sagt der Politologe zur Causa.
Newsdesk Heute
05.02.2025, 22:28

Der Konflikt zwischen den Verhandlern von FPÖ und ÖVP und deren Partei-Chefs Herbert Kickl (FPÖ) und Christian Stocker (ÖVP) hat sich in den jüngsten Stunden entzündet und droht nun zu einem Flächenbrand für die blau-schwarzen Koalitionsbemühungen zu werden. Es spießt sich inhaltlich immens, etwa bei EU, ORF, Bankenabgabe, "Sky Shield" und Co.

Aber auch die Posten- und Ministeriumsverteilung dürfte eine nicht unwesentliche Rolle dabei spielen, dass es zwischen den beiden Parteien so richtig kracht. Die ÖVP hätte dem Vernehmen nach zwar auf blaues Angebot hin sieben der 13 Ministerien übernehmen sollen – die "Gustostückerl" wie Inneres, Asyl, Finanzen oder Europa hätten aber unter blaue Kontrolle kommen sollen. Seitdem scheinen die Positionen unverrückbar zu sein.

"Machtrausch, die FPÖ meint das sicherlich ernst"

Am späten Mittwochabend analysierte die Geschehnisse der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Armin Wolf. Warum lege die FPÖ einem Ministeriumsverteilungswunsch vor, sei das nicht kurios, auch gegenüber der ÖVP? "Verhandlungstechnisch ist es eher seltsam, denn wenn Herbert Kickl seine Ministeriumsverteilungswünsche öffentlich in einem Facebook-Posting verkündet, dann muss er ja im Kompromissfall ebenso öffentlich zurückrudern oder die ÖVP kann nur in einer Demutsgeste zustimmen", so Filzmaier. "Aber vom inhaltlichen Machtanspruch her, vielleicht einem gar nicht so klitzekleinen Machtrausch, meint die FPÖ das sicherlich ernst."

Die Freiheitlichen wollen das Innen- und Finanzministerium, so der Politologe, könnten mit dem Finanzministerium indirekt in alle anderen Ministerien hineinregieren und mit dem Innenministerium hätten sie die Zuwanderungs- und Asyl-Erzählungen als Kernbotschaften der Regierung in der Hand. "Damit könnte ein FPÖ-Minister jeden Tag im Fernsehen sein, wenn er will", so Filzmaier, ein ÖVP-Verteidigungsminister oder -Landwirtschaftsminister finde dagegen im Vergleich "unter Ausschluss der Öffentlichkeit" statt.

Torpediert die FPÖ etwa die Verhandlungen?

Tempo 150 auf der Autobahn, Deutschzwang an den Universitäten und illegale Pushbacks – wolle die FPÖ mit solchen Vorschlägen vielleicht gar nicht wirklich regieren, sondern einen Abbruch provozieren, fragte Moderator Wolf nach. "Ich sehe schon den Kanzlerwillen von Herbert Kickl und außerdem, es wäre verlockend gewesen für die FPÖ zur Zeit der Dreierverhandlungen ÖVP, SPÖ und NEOS, diese dann mit faulen Kompromissen scheitern zu lassen", so Filzmaier. Aber jetzt in Koalitionsverhandlungen als gescheitert dazustehen "erschließt sich mir nicht". Der Politologe sah es eher so, "dass man zehn oder auch 100 Vorschläge macht, die eine pure Provokation sind, aber weil es so viele sind, bringt man einen am Ende vielleicht sogar durch".

Dass die FPÖ-ÖVP-Koalition noch zustande komme, daran glaube Filzmaier weiterhin, denn ÖVP und FPÖ würden im gegenteiligen Fall schlechter dastehen. "Die ÖVP sowieso. Die ist schon einmal von der ehemaligen Kanzlerpartei zur Vizekanzlerpartei geworden und hätte dann jetzt gar nichts mehr in der Hand. Sie müsste in einem mögliche n Neuwahlkampf mit unter 20 Prozent der Stimmen starten, hätte mit Christian Stocker einen Spitzenkandidaten, wenn sie nicht noch jemanden aus dem Hut zaubern, wo es schwer vorstellbar ist, dass er ein breitenwirksamer Publikumserfolg wird. Und auch bei der FPÖ mag man zwar bei Neuwahlen zulegen, aber man wird nicht zur Kanzlerpartei. Was man nach Neuwahlen sicher braucht, ist ein Koalitionspartner, der ÖVP heißt", so Filzmaier. Der Politologe gestand aber: Auch mit dem Platzen der Ampel-Gespräche habe er nicht gerechnet.

Streit nicht nur über Posten und Ministerien

Doch wie "Heute" erfuhr, spießt es sich nicht nur an den Posten und Ministerien, auch bei wichtigen Themen und Wahlkampfversprechen beider Parteien hakt es. Mehrere Untergruppen der Verhandlungs-Riege hätten ihre Ampeln auf Rot gestellt, ist zu vernehmen – und die Chefs persönlich konnten sich bisher zu wenigen Kompromissen durchringen.

Einer, der eigentlich keiner ist: Einig ist man sich darüber, dass ein von Ex-Bundeskanzler Karl Nehammer (damals ÖVP) angekündigtes Nationalstadion finanziell nicht machbar ist. Bei anderen Projekten ist man dagegen weiter voneinander entfernt als je zuvor, etwa bei der Corona-"Aufarbeitung".

Viele Verhandlungs-Punkte, wenig Einigkeit

Vollkommen verschiedene Vorstellungen beider Parteien soll es auch bei der Bekämpfung des Antisemitismus geben – ein Punkt, den die ÖVP als unverrückbar und Bedingung für eine Koalition genannt hatte. Ein Unterpunkt scheint der FPÖ nicht zu schmecken, ein geplantes Holocaust-Zentrum, das Ex-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) unbedingt umgesetzt sehen wolle.

Die ÖVP wiederum kann oder will dem Vernehmen nach bei dem von der FPÖ angepeilten Ausstieg aus dem Raketenabwehrsystem "Sky Shield" nicht mitziehen. Und bei der Bankenabgabe dürfte das "Light"-Modell der ÖVP den Freiheitlichen nicht gefallen.

Entscheidung bereits am Donnerstag möglich

Die ÖVP stellt dagegen, so sagen Insider, die Themen eines Finanzbeitrags der Kammern zur Budgetsanierung auf Rot und fordert zudem von den Blauen ein klares Bekenntnis zur EU. Offen soll auch nach wie vor die von den Freiheitlichen angekündigte Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe sein.

Ob die Koalitionsgespräche scheitern oder doch noch weitergehen, ist indes unklar – ÖVP-Chef Christian Stocker wurde am Mittwoch in der Hofburg erwartet, um dem Bundespräsidenten Bericht über die Situation zu erstatten, am Donnerstag ist FPÖ-Chef Herbert Kickl dran. Über Stockers Gespräch und ob es tatsächlich stattgefunden hatte, wurde am Mittwochabend eisern geschwiegen. Klar ist aber: Sowohl Stocker als auch Kickl könnten Alexander Van der Bellen das Scheitern der Gespräche erklären.

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 05.02.2025, 22:48, 05.02.2025, 22:28
Es gibt neue Nachrichten auf Heute.atZur Startseite