Marcos Eltern machen sich große Sorgen um ihren Sohn: Der achtjährige Bub aus Albisrieden in Zürich reagiert auf Ackerbohnen hochallergisch. Die nächsten Wochen sind für ihn besonders gefährlich, denn dann treiben die Pflanzen in den Familiengärten neben seinem Schulhaus Freilager ihre weißen Blüten mit dem schwarzen Saftmal aus.
Wegen eines Gendefekts fehlt Marco das Enzym Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase (G6PD), das vor oxidativen Stoffen schützt, wie der "Tages-Anzeiger" berichtet. Er darf mit absolut keinen Substanzen oder Pollen der Hülsenfrucht in Kontakt kommen. Gelangen diese in seinen Blutkreislauf, zerstören sie rote Blutkörperchen – es kommt zur sogenannten Hämolyse. Nur eine Bluttransfusion kann den Buben dann noch retten. Einmal war es schon fast zu spät.
Marcos Eltern und auch die Schule tun alles, um das Kind zu schützen. Mit einem Hinweisplakat im Gartenareal versuchen sie, dass Gärtner in der Nähe des Schulareals möglichst auf den Anbau von Ackerbohnen verzichten. Doch ein Pflanzverbot gibt es nicht – solange es Zürich nicht durchsetzt. Die Pflanze ist frostresistent und beliebt, besonders bei Menschen mit Wurzeln im Mittelmeerraum.
Sandra Horat vom Familiengartenverein bemühte sich um Aufklärung – mit mäßigem Erfolg. "Beim Versuch, sie vom Anbau abzuhalten, habe ich auf Granit gebissen", sagt sie zum "Tages-Anzeiger". Für viele sei die Bohne ein Stück Heimat. Gut ist immerhin, dass die betroffenen Parzellen auf der anderen Seite des Schulhauses liegen.
Wie die Familie erzählt, sei Marcos Krankheit erstmals nach einem Familienessen entdeckt worden. Sein sardischer Großvater hatte Favabohnen gekocht. Marco, damals knapp einjährig, wurde nach dem Essen schwach, sein Körper gelb. Erst ein Professor im Kinderspital erkannte die Krankheit – ein glücklicher Zufall, da der Arzt noch am Tag zuvor eine Weiterbildung zu Favismus gehalten hat. Eine Transfusion rettete Marco das Leben.
Heute weiß er, dass er andere über seine Krankheit informieren muss. "Alle meine Freunde wissen, dass ich das habe. Und sie wissen, dass ich bei jedem Essen fragen muss, ob Ackerbohnen drin sind." Der Achtjährige trägt stets einen Patientenausweis bei sich. Der Bub darf auch viele Medikamente nicht nehmen, darunter bestimmte Antibiotika und Schmerzmittel.
Im Kinderspital Zürich wird Favismus etwa einmal pro Monat diagnostiziert, meist in milder Form. "Wichtig ist, dass sich Betroffene an die Liste der verbotenen Medikamente halten", sagt Hämatologe Markus Schmugge.
Die Fallzahlen könnten zunehmen – wegen Migration und wachsender Beliebtheit der Bohne. Ackerbohnen gelten als ökologischer Sojaersatz. Sie binden Stickstoff, verbessern Böden und sind vielseitig verwendbar – in Falafel, Salaten oder veganen Produkten.
Marcos Mutter beachtet inzwischen die Inhaltsstoffe in jedem Produkt mit größter Aufmerksamkeit: "Hätte ich nicht die Zutatenliste minutiös gelesen, wir hätten Marco schon mehrmals Ackerbohnen vorgesetzt."