Bei den Gesprächen zur Ukraine in Berlin dreht sich weiterhin alles um die Zukunft der Region Donbass. Kreml-Chef Wladimir Putin fordert schon seit längerer Zeit, dass die Ukraine das von Russland teilweise besetzte Gebiet, also die ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk, komplett aufgibt. Die ukrainische Führung in Kiew weigert sich aber strikt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei den Verhandlungen mit der US-Delegation in Berlin vorgeschlagen, den aktuellen Frontverlauf einzufrieren: "Die gerechteste mögliche Option ist, stehenzubleiben, wo wir sind."
Am Montag meinte er, dass es weiterhin Meinungsverschiedenheiten zwischen seinem Land und den USA bezüglich der russisch besetzten Gebiete gibt. Der Donbass ist für die Ukraine nicht nur wirtschaftlich, sondern auch strategisch enorm wichtig.
Die beiden Regionen Donezk und Luhansk, die direkt an Russland grenzen, bilden gemeinsam den Donbass. Das Gebiet ist fast 55.000 Quadratkilometer groß, also etwa doppelt so groß wie Belgien, und besitzt riesige Kohle- und Metallerzvorkommen. Der Donbass macht rund neun Prozent der gesamten Fläche der Ukraine aus.
Bereits seit 2014 wird der Donbass – auch Donezkbecken genannt – in Teilen von pro-russischen Separatisten kontrolliert. Laut einer AFP-Auswertung von Daten des in den USA ansässigen Instituts für Kriegsstudien (ISW) stehen fast die gesamte Region Luhansk und etwa 80 Prozent der Region Donezk samt der jeweiligen Hauptstädte unter russischer Kontrolle.
Im Donbass leben vor allem russischsprachige Menschen. Zu Sowjetzeiten wurden viele russische Arbeiter in die Bergwerke geschickt. Viele ukrainisch sprechende Bewohner haben die Region seit Beginn des bewaffneten Konflikts im Jahr 2014 verlassen. Wie viele Menschen dort jetzt noch leben, weiß niemand genau – bei der letzten Volkszählung im Jahr 2001 waren es rund sechs Millionen.
Seit 2014 hat die Ukraine laut ISW in der Region Donezk einen "Festungsgürtel" errichtet. Dieser reicht von den Städten Slowjansk und Kramatorsk im Norden bis nach Druschkiwka und Kostjantyniwka weiter südlich. Dazu gehören befestigte Städte, hunderte Kilometer an Gräben und Minenfelder.
In der Region Donezk gab es einige der verlustreichsten Kämpfe des Krieges, zum Beispiel in Bachmut, Mariupol und Awdijiwka. Im September 2022 hat Russland Donezk und Luhansk sowie die Regionen Cherson und Saporischschja für annektiert erklärt.
Der Donbass ist traditionell für Kohleabbau und Industrie bekannt, aber mittlerweile rücken auch andere Rohstoffe in den Fokus. Die Region ist reich an Lithium, Uran, Titan und seltenen Erden. Viele dieser Vorkommen liegen allerdings in besetzten oder umkämpften Gebieten und werden nicht genutzt. Im Mai haben Washington und Kiew ein Abkommen unterschrieben, das den USA erlaubt, seltene Erden und andere Bodenschätze aus der Ukraine zu beziehen.
Ukrainische Verantwortliche und Experten warnen, dass ein vollständiger Verlust des Donbass schwerwiegende Folgen für die Sicherheit der Ukraine hätte. Das würde "das Tor zu einer künftigen weiteren Invasion der Ukraine öffnen", sagte der in Kiew lebende Analyst am Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien, Andreas Umland, im August. Ein Verlust würde die Ukraine in "eine Position bringen, die deutlich weniger verteidigungsfähig ist als die derzeitige Linie", erklärte das ISW. Damit könnten die Städte Dnipro und Charkiw – beide wichtige Zentren mit jeweils rund einer Million Einwohner – leichter erreichbar werden.