Abrechnung in "Heute"-Talk

ORF-Wehrschütz: "Das war Selenskyjs größter Fehler"

ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz zieht im "Heute"-Interview Bilanz über den Ukraine-Krieg – und findet klare Worte für Wolodymyr Selenskyj.
Nicolas Kubrak
18.10.2025, 18:10
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Seit mehr als zwei Jahrzehnten berichtet ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz von den Krisenherden Europas – dem Balkan und der Ukraine. In seinem neuen Buch "Frontlinien – 25 Jahre zwischen Krise, Krieg und Hoffnung" analysiert er die geopolitischen Ereignisse in Europa mit klarer Sprache.

Im "Heute"-Interview spricht die ORF-Legende über die Hintergründe des Ukraine-Kriegs, die Versäumnisse des Westens – und erklärt, warum auch die Ukraine selbst entscheidende Fehler beging.

"Westen war mitverantwortlich"

Es sei ganz klar, wer der Aggressor in dem Krieg ist. Der Westen habe Wladimir Putin aber lange Zeit nicht ernst genug genommen. "Wenn man Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 liest, erkennt man tiefe Frustration. Der Wechsel der NATO von einer 'Russia-First'-Politik hin zur Osterweiterung führte zu einer Entfremdung", so Wehrschütz.

Wehrschütz: "Der Wechsel der NATO von einer 'Russia-First'-Politik hin zur Osterweiterung führte zu einer Entfremdung."
zVg

Viele im Westen würden dazu neigen, eigene Fehler zu verschleiern und alles Russland zuzuschreiben. "Wer darauf hinweist, wird schnell abgestempelt als jemand, der 'Putins Narrativ' vertritt", kritisiert der Korrespondent.

"Da lautet die ehrliche Antwort: Nein"

Kann die Ukraine den Krieg überhaupt noch gewinnen? "Das hängt davon ab, was man als 'gewinnen' versteht. Wenn damit der Fortbestand der Ukraine gemeint ist, ja, das halte ich für sicher. Wenn man darunter die Rückeroberung von Krim, Donezk und Luhansk versteht, lautet die ehrliche Antwort: Nein", erklärt Wehrschütz.

Russland sei eine Atommacht, die Ukraine nicht. Kiew führe den Krieg "mit angezogener Handbremse" und sei abhängig vom Westen. "Es gab immer wieder Situationen, in denen militärische Chancen nicht genutzt wurden – etwa bei Cherson 2022, als die USA aus Angst vor einer Eskalation bremsten", erinnert sich der ORF-Korrespondent. Sein Resümee: "Solange der Westen nicht bereit ist, selbst für die Ukraine zu kämpfen, bleibt der Krieg asymmetrisch."

Selenskyjs größter Fehler

Auch die Ukraine habe nicht alles richtig gemacht, Wehrschütz rechnet dabei mit der Politik von Wolodymyr Selenskyj ab. Er kritisiert, dass der Präsident nach Kriegsausbruch keine Regierung der nationalen Einheit bildete.

"Wenn ein Land im Krieg steht, muss man alle politischen Kräfte bündeln. Dass Selenskyj den Vorschlag von Julia Timoschenko ablehnte, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, war ein Fehler. Wenn man allein agiert, trägt man auch allein die Verantwortung – so wie ein Schauspieler, der nur seinen Regieassistenten mitnimmt", sagt Wehrschütz.

Der größte Fehler sei allerdings gewesen, nicht auf den US-amerikanischen Generalstabschef Mark Milley zu hören, der nach den ukrainischen Erfolgen im Herbst 2022 ernsthafte Verhandlungen gefordert hatte.

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