Neue Trend-Szene
"Es ist fast alles käuflich" – Sexologin erklärt FinDom
Geld an Fremde verschicken, oft ohne Gegenleistung – darin liegt für Menschen in der FinDom-Szene die Erregung. Eine Sexologin ordnet ein.
Auf Social Media sind sexuelle Angebote vielfältig. So findet man darauf auch Angebote für FinDom, bei dem sich Menschen meist über TikTok, X und Instagram finden. FinDom steht für "financial domination". Dabei sind es meist Männer, die Frauen regelmäßig Geld oder Geschenke schicken und durch diese Handlung Lust empfinden. Sexologin Agnes Silvani ordnet ein.
Frau Silvani, worin liegt der Reiz in FinDom?
Bei FinDom geht es um Macht und Ohnmacht, um Dominanz und Erniedrigung. Dies sind starke Emotionen, die wir alle kennen. In den meisten Arbeitsverhältnissen und Beziehungen sind Machtgefälle vorhanden. In FinDom ist es einfach bewusst, gesucht und sexuell konnotiert – mit Lust verknüpft. In FinDom steckt das Wort Domination, was ein Teil der BDSM-Szene ist und dabei geht es ja auch um lustvolle Dominanz und Unterwerfung. Bei FinDom ist einfach Geld und kein Peitschenschlag oder das Fesseln das "Tauschmittel".
Was ist BDSM?
BDSM steht für "Bondage, Discipline, Dominance, Submission, Sadism, Masochism". Es steht für eine Vielzahl von sexuellen Praktiken, die oft Elemente von Dominanz und Unterwerfung, spielerischer Bestrafung sowie Lustgewinn durch Schmerz oder Fesselungsspiele beinhalten.
Inwiefern kann Geld denn erregend sein?
Geld ist in unserem kapitalistischen System das Mittel der Macht. In unserer Gesellschaft ist Geld zu einer Art Fetisch geworden. Wieso würden sonst Menschen unsinnig viel Geld ausgeben für Uhren, Handtaschen oder Whiskeysorten, wenn es nicht affektiv, also mit ein wenig Erregung besetzt ist? Gleichzeitig ist Geld in unserer Gesellschaft tabuisiert – und Geld als Tauschmittel für erotische Aktivitäten ist doppelt zum Tabu erklärt.
Sind solche FinDom-Beziehungen gesund?
Zwischen den Sklaven und Geldherrinnen herrscht ein Konsens, es ist also ein vereinbartes Machtgefälle. Nur weil es für viele Menschen sonderbar scheint, heißt es nicht, dass dies pathologisch, also krankhaft ist.
Geht es den "Geldherrinnen" nur um das Geld?
Mittlerweile ist fast alles käuflich und ich sehe FinDom als eine Art Erweiterung von Onlyfans. Das Geld ist nur Mittel zum Zweck. Es geht um die Gefühle, die dieser Handel mit sich bringt.
Wieso kann finanzielle Dominierung Erregung schaffen?
Erregung ist eine sehr komplexe Sache und ist nicht vollständig erforscht. Einfach gesagt, gibt es Verbindungen im Hirn zwischen physischer Erregung und gewissen Gefühlen, die sexuell geprägt sind. Das können ganz unterschiedliche Sachen sein, Düfte, Objekte, Personen, gewisse Schuhe, bestimmte Situationen oder sehr spezifische Szenarien. Schmerz kann auch erotisiert werden. Bei FinDom ist es ein erotisch belegter Machttransfer in Form von Geld.
Bezüglich BDSM gibt es unterschiedliche Theorien. Es gibt die Theorie, dass schwierige oder aufregende Gefühle der Kindheit im Erwachsenalter erotisch erobert werden. Das heißt, wenn jemand als Kind Ohnmacht erlebt hat, wird diese Person ähnliche Situationen später suchen und in etwas Lustvolles transformieren. Wenn Geld der spezielle Reiz ist, könnte man sich fragen, ob das Thema Geld für Ohnmachtsgefühle in der Kindheit gesorgt hat?
Eine andere Theorie ist, dass die Gefühle als Kompensation zum Alltag dienen – fühlt sich jemand im Berufsleben (zu) mächtig oder unterlegen, kann dies ausgeglichen werden durch gegensätzliche sexuelle Praktiken. Theorien sind aber immer mit Vorsicht zu genießen; als mögliche Erklärungen, nicht als absolute Wahrheiten.
Worin liegt denn der Reiz des Spiels mit Macht und Ohnmacht?
Macht, Gewalt und Erniedrigungen sind ein sehr häufiger Bestandteil von sexuellen Fantasien. Nur ein Bruchteil der Menschen möchte diese Fantasien im Leben aber ausprobieren. Diese Emotionen sind im Alltagsleben "verboten" und Verbote sind starke Reize und sexuell interessant. FinDom, BDSM oder Rollenspiele können viele aus dem Alltag verdrängte oder verbotene Gefühle erlauben. Sexualität ist ein sehr gutes Mittel dafür, alle Gefühle erotisch zu erobern – im Bett können wir Teile von uns ausleben, die sonst nicht zum Vorschein kommen.