Österreich dagegen

EU will Entschädigungen bei Flugverspätungen kürzen

Erst Verspätungen ab 6 statt bisher 3 Stunden sollen künftig entschädigt werden – Verbraucherschützer warnen vor "Kniefall vor der Luftfahrtlobby".
Nick Wolfinger
05.06.2025, 13:46
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Vorerst keine Mehrheit fand am Donnerstag der Vorschlag der EU-Kommission beim Rat der Verkehrsminister, die Rechte von Flugpassagieren in der EU auf Entschädigungen oder Verspätungen drastisch abzuschwächen. Damit wären Passagiere laut Verbraucherschützern in 85 % der Fälle um ihre Entschädigungen umgefallen. Die Abstimmung wurde auf den Nachmittag verschoben. Das Tauziehen um einen Kompromiss geht weiter.

Aktuelle Entschädigungsregeln

■ Anspruch ab 3 Stunden Verspätung

250 Euro bis 1.500 Kilometer

400 Euro ab 1.500 Kilometer (innerhalb der EU) und 1.500 bis 3.500 Kilometer außerhalb der EU

600 Euro ab 3.500 Kilometer (außerhalb der EU)

Hanke: "3-Stunden-Regelung rote Linie"

Vor allem Deutschland sprach sich in der Debatte am Donnerstagvormittag deutlich gegen die Senkung der geltenden Standards aus, legte dafür einen eigenen Kompromissvorschlag vor. Österreichs Verkehrsminister Hanke erklärte gegenüber "Heute", die "3-Stunden-Regelung" sei eine "rote Linie, die im Sinne der Fluggäste nicht überschritten werden soll".

Neun Stunden Verspätung "OK"?

Die EU-Kommission hatte ihren Vorschlag als "fairen Kompromiss" zwischen Verbraucherinteressen und den Interessen der Luftfahrtindustrie bezeichnet. Der Plan: Entschädigungen erst ab fünf bis neun (!) Stunden Verspätung statt aktuell drei. Und statt bis zu 600 Euro Entschädigung auf Langstreckenflügen nur noch 300 bis 500.

Vorschlag der EU-Kommission

300 Euro ab 5 Stunden Verspätung für Flüge unter 3.500 Kilometer

500 Euro ab 9 Stunden Verspätung für Flüge ab 3.500 Kilometer

"Kniefall vor der Luftfahrtlobby"?

Als "Kniefall vor der Luftfahrtlobby" wurden die Pläne der Kommission von Verbraucherschützern wie Jan-Frederik Arnold vom Portal "Flightright" im Vorfeld bezeichnet. "Wenn bis zu 85 % der Passagiere künftig keinen Anspruch mehr auf Entschädigung haben, ist das ein massiver Rückschritt für den Verbraucherschutz in Europa", warnte Arnold Ende Mai gegenüber der deutschen "Bild".

Zwar sind natürlich nicht immer die Fluggesellschaften selbst an Verspätungen schuld – immer häufiger sind die Flughäfen überlastet, wodurch Verspätungen entstehen. Daher kennen die Entschädigungsregeln schon heute viele Ausnahmen, in denen Airlines nicht zahlen müssen, etwa wenn der Start aus Flugsicherheitsgründen nicht freigegeben wird oder "höhere Gewalt", etwa Naturkatastrophen, schuld sind.

Diese Ausnahmen wären im Kommissionsvorschlag deutlich ausgeweitet worden – sodass auch Streiks oder Krankenstände von den Airlines als "höhere Gewalt" entschuldigt werden hätten können.

Viele Länder für Abbau der Fluggastrechte

Zahlreiche Länder, viele mit Fluglinien in Staatsbesitz, schlossen sich während der Debatte dem "Kompromissvorschlag" der Kommission an. So sagte der Vertreter Frankreichs, der Vorschlag würde eine "bessere Information der Fluggäste über ihre Rechte" bedeuten – dass diese Rechte jedoch massiv abgebaut würden, darauf ging er nicht ein. Auch Estland sprach sich für Entschädigungen erst ab fünf Stunden aus.

Doch nicht alle zogen mit. Die polnische Ratspräsidentschaft legte einen eigenen Kompromissvorschlag vor, der Entschädigungen bereits ab vier statt fünf Stunden vorgesehen hätte, doch auch dieser fand in der Debatte keine Mehrheit. Der deutsche Kompromissvorschlag sieht wiederum vor, alle Verspätungen ab 3 Stunden pauschal mit 300 Euro zu entschädigen.

Österreich bei Abstimmung neutral

Österreichs Vertreter, EU-Botschafter Franz Wirtenberger, kündigte in der Debatte am Vormittag an, sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten zu wollen. Er begründete dies damit, dass "zentrale Anmerkungen immer noch nicht im Sinne der Konsumenten umgesetzt" seien. Ziel der Reform der Fluggastrechte müsse sein, "die Rechte der Konsumentinnen und Konsumenten noch wesentlich zu verbessern", so Wirtenberger in seinem Redebeitrag am Vormittag.

Beim EU-Rat Verkehr in Brüssel am 5. Juni 2025, Debatte am Vormittag
audiovisual.ec.europa.eu (Screenshot)

Dass der Vorschlag der Kommission auch Verbesserungen mit sich gebracht hätte, wird von österreichischer Seite aus "begrüßt". Durch "bessere Übersichtlichkeit, Vereinfachung und klare Formulierung der Bestimmungen" würden "in Zukunft weniger Verfahren vor dem EuGH" landen, wie das Büro von Minister Hanke am Donnerstag gegenüber "Heute" erklärte.

Auch der "Ausbau der Rechtsdurchsetzung und Informationspflichten" wären "im Sinne der Fluggäste" gewesen. Doch die Abschaffung der 3-Stunden-Regelung war für Österreich eine "rote Linie", weshalb man den Vorschlag nicht unterstützen konnte.

2,45 Millionen Euro Entschädigungen in Österreich

2024 war in Österreich ein Rekordjahr für die Schlichtungsstelle für Flugreisende, der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (APF). 5.850 Anträge gab es im Bereich Flugverkehr im Vorjahr – ein Anstieg um 10 Prozent. 1.200 Verfahren betrafen Austrian Airlines, dicht gefolgt von Ryanair (1.100 Anträge), wie aus der Jahresbilanz der APF hervorgeht.

Demnach konnten im Schnitt 458 Euro an Entschädigungen pro Kopf herausgeholt werden, insgesamt 2,45 Millionen Euro. Europaweit sind rund 1,5 % aller Abflüge von Entschädigungsrelevanten Verspätungen oder Ausfällen betroffen – den Airlines kommt das teuer zu stehen.

Wie es nun weitergeht

Sollte sich bis zum Nachmittag nicht doch noch eine Mehrheit für einen der Vorschläge (EU-Kommission, polnischer oder deutscher Kompromissvorschlag) finden, bleibt vorerst alles beim Alten - und das seit 12 Jahren andauernde Tauziehen um neue Regeln, die sowohl Flugreisende als auch Unternehmer zufrieden stellen, wird erneut vertagt.

{title && {title} } NW, {title && {title} } Akt. 05.06.2025, 14:37, 05.06.2025, 13:46