Der Drohnenangriff auf fünf russische Militärflugplätze, bei dem diverse Langstreckenbomber in Flammen aufgingen, wurde offenbar über anderthalb Jahre geplant (siehe Box für mehr Details). Osteuropaforscher Alexander Dubowy erklärt im Gespräch mit "Heute"-Partner "20 Minuten", was die Operation über die Ukraine und Russland aussagt.
Die Operation ist ein grandioser Planungserfolg für die Ukraine, direkt von Selenski gesteuert. Die Drohnen wurden vermutlich über Drittstaaten wie Kasachstan oder Belarus ins Land geschmuggelt. Die Containerhäuser, aus denen die Drohnen rausfliegen konnten, wurden möglicherweise sogar in Russland selbst angemietet und auf Lastwagen in der Nähe der Flugplätze positioniert. Vermutlich via Satellitenlink konnten die Drohnen aus der Ukraine aus dann gesteuert werden.
Das ist das eigentlich Erstaunliche. Eine Operation über so lange Zeit geheim zu halten, ist angesichts der sich laufend verändernden Kriegslage in der Ukraine bemerkenswert. Außerdem erfordert eine solche Operation ein großes Netzwerk im Feindesland. Dass Russland das nicht auf dem Schirm hatte, zeigt die Schwäche des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB: Offenbar gelingt es Russland nicht, ein umfangreiches ukrainisches Agentennetzwerk im eigenen Land aufzudecken – und das seit Jahren.
Massiver Drohnenangriff: Das ist bekannt
Bei einem der spektakulärsten Angriffe seit Beginn der russischen Invasion ist es dem Geheimdienst gelungen, die russische Luftwaffe und Nuklearwaffen-Sparte empfindlich zu treffen: In den Morgenstunden detonierten unzählige Drohnen auf insgesamt fünf Militärflughäfen in Russland und verursachten schwere Schäden an den dort geparkten Flugzeugen.
Laut der Ukraine wurden bei dem koordinierten Großangriff über 30 Prozent der russischen Flugzeuge, die mit strategischen Langstreckenraketen bestückt werden können, getroffen. Damit wurden auch Russlands Nuklearstreitkräfte empfindlich getroffen.
Nur wenige, denke ich. Wahrscheinlich gab es eine Art Zellstruktur, bei der jede beteiligte Person nur ihren kleinen Teil der Operation kannte. Es ist gut möglich, dass etwa die Lkw-Fahrer gar nicht wussten, was sie da transportieren. Unwissende Logistikpartner einzubeziehen ist bei Geheimdienstoperationen nicht unüblich.
Einerseits hat das einen praktischen Grund: Russland setzt die Langstreckenbomber, die auch nuklear bestückbar sind, im Krieg ein, um ukrainische Städte mit konventionellen Raketen zu beschießen. Andererseits ist es ein symbolischer Schlag: Diese Bomber sind Teil der nuklearen Triade Russlands – also das Herzstück der russischen Streitkräfte.
Nach innen soll die Moral gestärkt werden: Wir sind trotz allem noch in der Lage, hochkomplexe Operationen durchzuführen. Besonders wichtig ist aber die Signalwirkung gegenüber dem Westen – insbesondere gegenüber den USA. Die Ukraine wollte zeigen, dass sie nicht am Ende ist, dass sie noch "Karten in der Hand" hat, um auf Selenskis Besuch im Oval Office anzuspielen, als Trump Selenski vorführte und behauptete, er habe keine Karten mehr. Auch der Zeitpunkt ist nicht zufällig: Kurz vor den Gesprächen in Istanbul konnte die Ukraine so ihre Verhandlungsposition stärken.
Das ist eine Blamage für Putin. Die Ukraine hat Russland bloßgestellt und der Welt gezeigt, dass Russland schwächer ist, als man denkt. Die Abschreckung Russlands als Großmacht funktioniert immer weniger. Auch angebliche Verbündete wie China oder der Iran werden zur Kenntnis nehmen, in welchem maroden Zustand sich Russland befindet. Sie werden nur so lange an Russlands Seite stehen, wie es ihren eigenen Interessen nützt.
Der unmittelbare Einfluss auf den Kriegsverlauf wird begrenzt sein. Die betroffenen Bomber wurden zwar für Angriffe auf ukrainische Städte eingesetzt – Russland verfügt aber auch über andere Mittel. Trotzdem ist es ein nachhaltiger Schlag. Solche Verluste zwingen Russland dazu, Budgetmittel umzuschichten – was auch die Bevölkerung im Inland zu spüren bekommt.