ICE-Strategie

Expertin: "Illegale Aufenthalte könnten ansteigen"

In den USA wurden zuletzt Einsätze der Migrationsbehörde von Zivilisten gestört. Eine Migrationsexpertin schätzt die Situation nun ein.
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06.06.2025, 19:34
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Die US-Migrationsbehörde ICE geht seit Trumps Amtsantritt entschieden gegen Migranten vor, die sich illegal in den Vereinigten Staaten aufhalten. Trump hatte im Wahlkampf versprochen, Millionen Illegale abzuschieben. Die US-Regierung begründet die verstärkten Abschiebungen mit dem Ziel, die nationale Sicherheit zu erhöhen, die Einhaltung der Einwanderungsgesetze zu gewährleisten und illegale Migration sowie damit verbundene Kriminalität einzudämmen. Zunehmend werden die Agenten bei den Einsätzen aber von Anwohnern konfrontiert – so setzte ICE-Personal in San Diego zuletzt Blendgranaten ein, um sich einen Weg durch Demonstranten zu bahnen.

Migrationsforscherin Judith Kohlenberger, die an der Wirtschaftsuniversität Wien doziert, sieht vor allem einen Grund für die nun aufgekommenen Proteste: "Die Festnahmen und Razzien geschehen oft inmitten von Quartieren, Familien und Communitys. Dabei wird eine wichtige Schwelle überschritten: Die Abschiebungen sind nicht nur noch Statistiken und Zahlen, sondern persönliche Erfahrungen", sagt sie im Gespräch mit 20 Minuten.

"Viele dürften ihren Wahlentscheid nun hinterfragen"

Dies betreffe auch viele Personen mit Migrationshintergrund, die ihre Stimme im Herbst 2024 Donald Trump gaben – über 40 Prozent aller wahlberechtigten Latinos wählten damals den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. "Viele von ihnen dürften nun ihre Wahlentscheidung hinterfragen, vor allem hinsichtlich Trumps Haltung zur Migration", so Kohlenberger.

Dabei sei nicht zu unterschätzen, dass viele Personen mit Migrationshintergrund selbst eine abneigende Haltung gegenüber neu ankommenden Migranten hätten. "Dies liegt unter anderem am Verdrängungseffekt, der sich am Arbeitsmarkt vor allem in niedrig qualifizierten Sektoren zeigt: Im Gegensatz zu Europa, wo undokumentierte Migranten viel weniger ein Thema sind, drücken in den USA neu Zugewanderte ohne Aufenthaltstitel die Löhne in Tätigkeiten, die viele Personen mit Migrationshintergrund beschäftigen, und führen zu wahrgenommener Konkurrenz zwischen legalen und undokumentierten Migranten."

Zeitenwechsel in der Migrationsfrage?

Die Migrationsforscherin geht davon aus, dass sich die Spannungen zwischen den ICE-Behörden und einzelnen Gemeinschaften, aber auch die Spaltung und Polarisierung der US-Gesellschaft selbst noch weiter verschärfen wird: "‹Wer gehört dazu, wer ist ein echter Amerikaner› – diese Fragen waren in den Staaten lange kein Thema. Im Gegenteil, man hat stolz auf seine Wurzeln verwiesen und den ‹Melting Pot› als Stärke des Landes angesehen", so die Kulturwissenschaftlerin.

Wie rigoros die ICE vorgeht, zeigen auch diverse Verhaftungen vor Gerichtssälen, bei denen die festgenommenen Personen zu einem vereinbarten Termin für ihr Asylverfahren erscheinen und kurz später in Handschellen gelegt werden. "Dieser abschreckende Effekt kann schnell zur Folge haben, dass die Betroffenen nicht mehr zu den Terminen erscheinen oder gar keinen Asylantrag mehr stellen, sondern untertauchen – die Fluchtursachen, etwa in Lateinamerika, bestehen aber weiterhin." Zwar würden sich einige Personen durch die abschreckende Wirkung wohl auch gegen eine Flucht in die USA entscheiden, die Expertin verweist aber darauf, dass der Anteil der illegal Aufhältigen in den USA zwischenzeitlich sogar steigen könnte, weil Migranten weniger Möglichkeiten zur Regularisierung ihres Aufenthalts haben.

Viele befürworten das harte Vorgehen

Befürworter der Maßnahmen argumentieren hingegen, dass die Verhaftungen und konsequente Abschiebungen nötig seien, um die Integrität des Rechtssystems zu wahren und die Belastung öffentlicher Ressourcen zu verringern. Sie verweisen zudem darauf, dass viele Amerikaner eine strengere Kontrolle der Grenzen und eine Reduzierung der Migration fordern.

Trotz des punktuellen Widerstands bringt die strenge Migrationspolitik Trump nach wie vor auch viele Sympathien ein: Laut einer repräsentativen Umfrage anfangs Mai unterstützen 49 Prozent der insgesamt 1260 teilnehmenden Wahlberechtigten Trumps Vorgehen gegen Einwanderer, während sich 51 Prozent gegen seine Migrationsstrategie aussprechen. Die Befragung wurde durchgeführt, bevor Maßnahmen wie der Visa-Stopp für Studenten und Forschende und die Einreisesperre für ein Dutzend Länder bekanntgegeben wurden.

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