Er reist nicht an

Putin lässt Ukraine-Gipfel in letzter Minute platzen

Wolodimir Selenski will am Donnerstag persönlich mit Wladimir Putin sprechen. Am späten Mittwochabend wurde aber klar: Putin wird nicht dabei sein.
14.05.2025, 22:10

Wladimir Putin war gegen einen 30-tägigen Waffenstillstand in der Ukraine. Stattdessen bot er am 15. Mai direkte Gespräche in Istanbul an, "ohne Vorbedingungen". Nun blamiert ihn sein eigener Vorschlag, denn am späten Mittwochabend wurde klar: Putin kneift vor seiner eigenen Einladung!

Was war passiert? Erstmals seit 2022 sollte es wieder direkte Gespräche zwischen der Ukraine und Russland geben – ungewöhnlicherweise nicht über Unterhändler und Diplomaten. Wolodimir Selenski sagte am Dienstag in Kiew, er werde am Donnerstag zusammen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara auf Wladimir Putin warten. Sollte dieser sich lieber in Istanbul treffen wollen, würde er auch dorthin kommen.

Selenski bestand auf einem persönlichen Treffen, zumal in Russland nur Putin über einen Waffenstillstand entscheiden könne. "Wenn Putin nicht anreist und Spielchen spielt, ist das der endgültige Beweis dafür, dass er den Krieg nicht beenden will", so Selenski.

Langes Verwirrspiel um Putin

Auf Selenskis Aufforderung reagierte der Kreml bis Mittwochabend nicht. Sprecher Dmitri Peskow betonte am Dienstag erneut, dass eine russische Delegation nach Istanbul reisen werde. Wer dazu gehört und ob der Kremlchef selbst anreisen wird, ließ er erneut offen.

Auch Putin selbst hielt sich bedeckt, sagte auf einmal gar nichts mehr zu seiner eigenen Einladung. Er gab sich bei einem Treffen mit russischen Wirtschaftsvertretern sehr selbstbewusst und sagte: Eine Entschuldigung westlicher Investoren sei nicht ausreichend, um wieder nach Russland zurückkehren zu können. Diese Aussage legt nahe, dass Putin mit einem baldigen Ende der Sanktionen rechnet. Am späten Mittwochabend wurde dann klar: Putin fehlt auf der Liste der russischen Delegation, die der Kreml herausgab.

Hat Putin "Angst" vor einem Treffen?

Zumindest in den Augen seiner Kritiker: "Wir erinnern uns aber gut daran, wie Russlands Herrscher die Ukraine und den ganzen Westen beschuldigte, keinen Frieden zu wollen und deshalb Verhandlungen abzulehnen. Doch kaum soll er nun Farbe bekennen, drückt er sich herum, wie es nur geht", kommentiert etwa die slowakische Tageszeitung Pravda.

Tauche Putin nicht auf, drohe ihm ein Vertrauensverlust unter Russlands Verbündeten wie etwa China: "Dem, der jahrelang nach Frieden ruft und sich dann weigert, über ihn zu verhandeln, sobald ein Angebot auf dem Tisch liegt, glaubt niemand mehr." Auch der Ukraine ist an dem Narrativ gelegen, Putin sei für ein persönliches Meeting zu feige: Er glaube nicht, dass Putin "persönlich dazu fähig" sei, sich zu treffen, provozierte Selenski in einem Interview mit dem "Spiegel" am Dienstagabend. "Mir scheint, er hat Angst."

Ist das eine Falle?

Ukrainische Politologen vermuten: Dass Putin gerade nach Istanbul eingeladen habe, ist kein Zufall. Er wolle an die Verhandlungen von 2022 in Istanbul anknüpfen, in denen Russland die Kapitulation der Ukraine verlangte. Das Gesprächsangebot zeige, dass auch jetzt nur über russische Bedingungen gesprochen werde.

Das wiederum setzte Kiew unter Druck. Denn ein Nein zu Gesprächen ohne Putins Anwesenheit und nur zu russischen Konditionen könnte als mangelnder Friedenswille ausgelegt werden – gerade von Donald Trump, der den Krieg rasch beenden will, egal, zu welchem Preis für die Ukraine. Die Herausforderung für Kiew besteht den Experten zufolge nun darin, ein eigenes Verhandlungsformat vorzuschlagen: eines, das Gesprächsbereitschaft signalisiert, aber den Rahmen nicht Putin überlässt.

Was soll überhaupt verhandelt werden?

Überspitzt gesagt: Selenski will als Erstes über einen Waffenstillstand reden, Putin nur über eine ukrainische Kapitulation. Oder wie die "NZZ" schreibt: "Das Problem liegt darin, dass Moskau unter Verhandlungen etwas ganz anderes versteht als der Westen.

Gespräche dienen für den abgebrühten Taktiker Putin nicht der Kompromisssuche, sondern dazu, die eigenen Kriegsziele leichter durchzusetzen. Die vergangenen Monate haben dies deutlich gezeigt. Der Kreml hat in keinem einzigen wichtigen Punkt nachgegeben, dafür aber reihenweise westliche Zugeständnisse eingesackt."

Darf Selenski mit Putin überhaupt verhandeln?

Streng genommen nicht. Ende September 2022 hatte Selenski nach der formellen russischen Annexion der ukrainischen Oblaste Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson einen Erlass unterzeichnet, der Verhandlungen mit Putin ausschloss.

Dem war eine Entscheidung des ukrainischen Sicherheitsrates vorausgegangen. Von Journalisten darauf angesprochen, sagte Selenski jetzt: Gemäß der Verfassung der Ukraine kann niemand außer ihm Verhandlungen über die Souveränität und die territoriale Unversehrtheit der Ukraine führen.

{title && {title} } red,20 Minuten, {title && {title} } Akt. 14.05.2025, 22:46, 14.05.2025, 18:13