Das hochansteckende H5N1-Vogelgrippevirus grassiert weltweit nicht nur unter Vögeln. Es hat den Sprung von Wirbel- auf Säugetiere vollzogen und sich im vergangenen Jahr in Hunderten Milchkuhherden in den USA ausgebreitet. Mittlerweile kursiert das Virus in immer mehr Tierpopulationen. In Europa gab es unter anderem bereits Fälle in Pelzfarmen, aber auch bei Wildtieren, wie Füchsen, oder Katzen, wenn die Tiere tote Vögel fressen. Zuletzt wurde das Virus in Großbritannien erstmals bei einem Schaf nachgewiesen.
"Ein interessanter, aber seltener Fall. In den USA gab es schon Infektionen in Ziegen, die mit Schafen verwandt sind. Das Virus hat sich jedoch nicht weiter ausgebreitet. Auch das Schaf in Großbritannien scheint ein Einzelfall zu sein – wenn auch ein kurioser", erklärt Florian Krammer. Gegenüber "Heute" schätzt der Virologe und Impfstoffforscher von der Icahn School of Medicine in New York und der Medizinischen Universität Wien die aktuelle Lage ein.
Seit April 2024 wurden in den USA 70 Fälle von Vogelgrippe beim Menschen gemeldet. Nur eine Handvoll wurde schwer krank. Kürzlich wurde der dritte Todesfall bei einem Menschen bekannt. Nach einem Fall in China und einem weiteren in den USA starb ein dreijähriges Mädchen in Mexiko an den Folgen einer Infektion. Im Vergleich dazu verliefen die meisten humanen H5N1-Fälle vor 2020 schwerer: Von rund 900 bestätigten Patienten starb in etwa die Hälfte.
"Historisch haben wir gesehen, dass H5N1 etwa 50 Prozent der infizierten Menschen tötet. Mit diesem neuen Stamm scheint die Rate geringer zu sein. Natürlich handelt es sich nach wie vor um eine sehr hohe Rate an Toten, aber ich glaube nicht, dass sich das Virus verändert hat und problematischer geworden ist", so Krammer. Mittlerweile würde es außerdem einen angepassten Impfstoff geben. "Der in vielen Ländern in Europa für Risikogruppen erhältlich ist. Der saisonale Influenzaimpfstoff könnte auch innerhalb von ein paar Monaten auf H5N1 umgestellt werden."
„In der Größenordnung von COVID-19.“
Ein Grund für die wenigen und relativ milden Fälle unter Menschen könnte sein, dass es eine gewisse Immunität in der Bevölkerung gibt. "Diese Wahrscheinlichkeit besteht aufgrund saisonaler Influenza-A-Infektionen – vor allem durch H1N1, da sich das Virus das N1-Protein mit H5N1 teilt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass das eine Pandemie aufhalten würde, aber es könnte sein, dass die Erkrankung dadurch teilweise abgeschwächt wird", erklärt Krammer. Bei einer H5N1-Pandemie würde es laut dem Virologen trotzdem viele Tote geben. "In der Größenordnung von COVID-19."
Dazu könnte es kommen, wenn dieselbe Person oder ein Tier sich gleichzeitig mit H5N1 und saisonalen Influenza-A-Viren infiziert. "Wenn H5N1 Teile des Genoms mit saisonaler H1N1 oder H3N2 Influenza austauscht, könnte es kritisch werden. Dann könnten Mensch-zu-Mensch-Übertragungen wahrscheinlicher werden."
„Wenn H5N1 Teile des Genoms mit saisonaler H1N1 oder H3N2 Influenza austauscht, könnte es kritisch werden.“
Momentan gehe die Gefahr aber vor allem vom Kontakt mit infizierten Tieren aus, wobei das Risiko in Österreich grundsätzlich gering sei. "Problematisch sind Ausbrüche in Geflügelbetrieben, aber das wird von der AGES in Österreich hervorragend gemanaged. Wo man aber aufpassen muss, ist beim Kontakt mit kranken oder toten Wildtieren, vor allem (Wasser)Vögeln. Am besten wegbleiben, nicht berühren und melden." Das gelte auch für Haustiere. Hunde und Katzen können sich bei einem Kontakt mit kranken oder toten Wildtieren ebenfalls mit H5N1 infizieren. "Da muss man aufpassen. Und zwar nicht nur am Land, sondern auch im urbanen Raum", mahnt Krammer.