Sabine R. (54) stieg am 14. Mai um 06.30 Uhr in den Railjet Richtung Villach. Sie war unterwegs zum Unternehmerinnenkongress der WKO. Im Wagen 24 stellte sie ihren Koffer und ihre Handtasche auf ihren reservierten Sitzplatz. Was dann geschah, schockierte sie zutiefst.
Beim Zwischenhalt in Wien-Meidling klopfte plötzlich ein junger Mann aufgeregt ans Fenster direkt vor ihr. "Hamburg?", rief er immer wieder und deutete hektisch auf sein Handy. "Ich konnte ihn nur ganz schlecht verstehen, er wirkte total aufgelöst", schildert Reissner. Die Leute am Bahnsteig schauten irritiert, während sie sich dem vermeintlich Verwirrten zuwandte.
Nur zehn Sekunden später bemerkte Sabine R. das Unfassbare: Ihre Handtasche am Nebensitz war verschwunden. "Ich sprang auf und fragte laut: Wo ist meine Handtasche?" Noch während sie suchte, trat ein Fahrgast an sie heran und fragte: "Meinen Sie die orangefarbene Designer-Handtasche? Ein sehr nervöser Mann hat sie gerade aus dem Zug getragen und ist Richtung Meidling gelaufen."
Für Reissner war sofort klar: Der Mann am Fenster war Teil eines ausgeklügelten Ablenkungsmanövers. Der Täter, der ihr beim Einsteigen gefolgt war, nutzte die Verwirrung und schnappte sich blitzschnell ihre Tasche.
Mittlerweile hat Sabine R. Anzeige bei der Polizei erstattet. Es wird aktuell ermittelt, eine Rückmeldung steht von Seiten der Polizei bisher noch aus. Für sie steht fest: "Das war kein Einzelfall. Das sind professionelle Diebe, die gezielt am Morgen Fahrgäste am Hauptbahnhof beobachten und in Meidling zuschlagen – weil man dort schnell flüchten kann."
Trotz des Schocks ist sie dankbar: "Danke den lieben Zeugen für Kaffee, Wasser und die Hilfe beim Sperren meiner Karten. Ich fahre trotzdem zum Kongress. Die Tickets und das Hotel waren schon gebucht."
Der Vorfall hinterließ Spuren. "Ich bin mein ganzes Leben noch nie bestohlen worden und war echt geschockt von dieser organisierten Dreistigkeit." Die Resonanz auf ihren Facebook-Post war riesig. Viele forderten mehr Sicherheit und Warnungen von der ÖBB.
Sabine fuhr mit gemischten Gefühlen mit dem Zug weiter nach Kärnten: "Das hat mir echt Angst gemacht vor dem öffentlichen Leben – außerhalb meines Einfamilienhauses, außerhalb meines Autos, welches sich automatisch verriegelt."
Trickdiebstähle in Öffis sind laut Polizei keine Seltenheit. Die Täter arbeiten oft in Gruppen, lenken ihre Opfer gezielt ab – etwa durch Fragen, Nähe oder wie im aktuellen Fall durchs Fensterklopfen – und schlagen dann zu.
"Trickdiebstähle sind in den verschiedensten Begehungsformen insbesondere auch in öffentlichen Verkehrsmitteln bekannt", so ein Sprecher der Polizei auf "Heute"-Anfrage. Wertsachen sollten immer körpernah und in verschlossenen Taschen getragen werden. Erst recht bei überraschenden Ansprachen sei Vorsicht geboten.