Was ist Greenwashing überhaupt? "Es ist Teil einer "gezielten Strategie von Konzernen, politische Regulierung zu verhindern und die Öffentlichkeit zu täuschen". Mit der jüngsten Wende in der EU-Umweltpolitik erreiche Greenwashing "nun seinen Höhepunkt", erklärt Wirtschaftsexpertin Ursula Bittner im "Heute"-Studio.
Mit dabei beim Interview hatte Bittner ihr neues Buch "Greenwashing - das schmutzige Geschäft mit deinem Gewissen" (oekom Verlag, Preis: 25,70 Euro).
Der einst ambitionierte Green Deal werde zum "Greenwashing-Deal", so Greenpeace-Expertin Bittner. Im "Heute"-Gespräch legt sie die Strategien dieses Systems offen und zeigt, "wie uns Konzerne und Politik weltweit in die Irre führen" und welche Lösungen möglich sind, um aus der "Greenwashing-Falle" herauszukommen.
"Greenwashing ist ein gigantischer Schwindel, der über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Unternehmen verkaufen uns ein gutes Gewissen, während sie ungestört weiter Profite aus der Zerstörung des Planeten ziehen", so Bittner.
"Statt Lösungen für Klimakrise und Artensterben voranzubringen, setzen sie auf Täuschung und Ablenkung. Greenwashing ist keine Ausnahme, sondern zur zentralen Strategie geworden, um Regulierung zu verhindern und politische Macht zu sichern", erklärt die Autorin.
"Auf Druck von Industrie und Agrarkonzernen" schwäche die EU-Kommission seit Monaten Regulierungen zu Lieferketten, Waldschutz und Nachhaltigkeitsberichterstattung", so Bittner. Die geplante Richtlinie über "umweltbezogene Werbeaussagen" habe die Kommission erst im Sommer zurückgezogen. Damit führe Greenwashing "zu einem politischen Rückschritt von historischem Ausmaß".
Möglich sei Greenwashing, weil Klimaschutz "von staatlicher Seite nie Priorität" erhalten habe. Zwischen "Ankündigungen und konkreten Maßnahmen" klaffe eine Lücke, die immer größer werde. Dies hatte auch Politikwissenschaftler Ulrich Brand bei der Buchpräsentation am 6. Oktober im Lokal "phil" (Wien-Mariahilf) betont.
Der Staat sei im aktuellen liberal-kapitalistischen Modell "darauf ausgerichtet, Wirtschaftswachstum, Legitimität und Sicherheit" zu gewährleisten. Klimapolitik bringe diese Grundfunktionen "in Konflikt miteinander", so Brand.
Doch die Entwicklung von Öko-Lügen gehe noch weiter: "Greenhushing” verschweige bewusst ökologische Maßnahmen, und „Greencancelling" verwässere oder ziehe Nachhaltigkeitsziele gar ganz zurück. "Beide Phänomene stehen im Zeitalter des Greenwashings längst an der Tagesordnung", so Bittner.
Statt Fortschritt erleben wir, so Bittner, eine "Kehrtwende" im Klima- und Umweltschutz. "Konzerne inszenieren sich als Umweltretter, während sie in Wahrheit die Klimakrise verschärfen und politische Regeln blockieren. Nur wenn wir ihre Lügen durchschauen, können wir sie gemeinsam stoppen", resümiert die Autorin.