Wien

Hassen Sie Autofahrer, Frau Hebein?

"Schaß mit Quasteln, natürlich nicht!", so Wiens Vize-Bürgermeisterin Hebein (53) im "Heute"-Interview. Und wie läuft’s so mit Stadtchef Ludwig?

Claus Kramsl
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Im <em>"Heute"</em>-Interview gestand Wiens Vize-Stadtchefin Birgit Hebein (Grüne): "Ich bin vor zwei Wochen selbst mit dem Auto gefahren – zum Baumarkt."
Im "Heute"-Interview gestand Wiens Vize-Stadtchefin Birgit Hebein (Grüne): "Ich bin vor zwei Wochen selbst mit dem Auto gefahren – zum Baumarkt."
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Vor einem Jahr, am 26. Juni 2019, übernahm Birgit Hebein (Grüne) das Amt der Vize-Bürgermeisterin und Verkehrsstadträtin von Maria Vassilakou. Kurz zuvor wurde sie auch zur Chefin der Wiener Grünen gewählt. Zu den Eckpfeilern ihres politischen Wirkens erklärte sie damals Klimaschutz und sozialen Zusammenhalt. Für "Heute" blickt sie zurück – und nach vorne.

"Heute:" Im Sommer wird am Gürtel beim Westbahnhof ein Freizeitareal mit Pool errichtet ("Heute" berichtete). Nach den derzeitigen Corona-Bestimmungen dürfen da zeitgleich fünf Leute rein. Dafür werden mehrere Fahrspuren gesperrt. Ist das gescheit?

Birgit Hebein: Es ist ein Projekt des 7. (Anm.: Bezirksvorsteher Markus Reiter, Grüne) und 15. Bezirks (Anm.: Bezirksvorsteher Gerhard Zatlokal, SPÖ) gemeinsam – also eine gute rot-grüne Kooperation mit dem Ziel, abzukühlen, Lebensqualität zu schaffen und den Menschen was zu vergönnen. Meines Wissens werden die Bestimmungen für Freibäder Anfang Juli gelockert. Wie auch immer: Die Bestimmungen werden eingehalten und man schafft einen Raum für die Menschen. Es war übrigens dort früher ein öffentliches Bad.

"Heute:"  Apropos Sommer: Wo machen Sie heuer Urlaub?

Birgit Hebein: Ich weiß es noch nicht genau. Entweder ein paar Tage in Kärnten zu Hause, oder ich kann meinen jüngeren Sohn doch noch dazu überreden, in die Berge zu gehen. Kärnten heißt vor allem Oma und Verwandtschaft. Ein paar Tage auf die Alm würde ich gerne gehen. Wir verhandeln noch. (lacht)

"Heute":  Hassen Sie Autofahrer? Und wenn ja, warum?

Birgit Hebein: Schaß mit Quastln! Warum sollte ich? Es geht darum, dass wir alle gut miteinander auskommen, aber man weniger Auto fährt. Kein Mensch muss sich das Auto nehmen, um ein Bier im ersten Bezirk zu trinken. Das brauchts nicht mehr, schon gar nicht angesichts der Klimakrise. Diese Zeiten sind vorbei.

"Heute:" Haben Sie ein Auto?

Birgit Hebein: Ich habe noch nie ein Auto besessen, aber ich borge mir gelegentlich eines aus. Das letzte Mal vor zwei Wochen, da bin ich zum Baumarkt gefahren, habe eine Stichsäge und viele Bretter besorgt.

"Ein Auto? Habe ich nie besessen. Ich borge mir aber ab und zu eines aus."
"Ein Auto? Habe ich nie besessen. Ich borge mir aber ab und zu eines aus."
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"Heute:" Ein Rad haben Sie aber sicher. Ein spezielles?

Birgit Hebein: Das habe ich schon ur lang, ein stinknormales Rad. Ich habe am Fahrrad das Ein-Mal-Eins mit meinen Kindern gelernt (Anm.: Hebein hat zwei Söhne). Seit über 30 Jahren fahre ich mit dem Rad, da war ich noch lange keine Grüne. Für mich ist das Radeln tatsächlich meine alltägliche Freiheit. 

"Heute:" Wie gut ist Ihr Verhältnis mit Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ)?

Birgit Hebein: Ich habe ein gutes Verhältnis zu ihm, ein professionelles, korrektes. Von Anfang an. Wir sind uns wirklich in den Zielen einig, nicht immer beim Weg dorthin. Manchmal muss man sich halt bei den Details zusammenraufen. Und das macht man am besten nicht auf der Terrasse.

"Heute:" Wie gut ist die Kooperation mit der SPÖ auf einer Skala von 0 bis 10?

Birgit Hebein: 10 – weil seit zehn Jahren gibt es Rot-Grün und seit zehn Jahren ist Wien die lebenswerteste Stadt der Welt. (lacht)

"Heute": Wie wahrscheinlich ist eine Fortführung von Rot-Grün in Wien?

"Rot-Grün funktioniert gut für unsere Stadt, warum soll man das ändern?"

Birgit Hebein: Der nächste Bürgermeister heißt Michael Ludwig und er wird entscheiden, ob es in Richtung Zukunft, Klimaschutz und Zusammenhalt geht mit uns, dafür stehen wir. Oder ob es wieder zurück geht zur ÖVP. Rot-Grün funktioniert gut für unsere Stadt, warum soll man das ändern?

Die Vize-Bürgermeisterin im Word-Rap zu Autofahrer-Hass, Lieblings-Bier und ihr geheimes Laster:

"Heute":  Wie gut ist die Performance der Grünen in der Bundesregierung von 0 bis 10?

Birgit Hebein: Das kann man jetzt noch nicht beurteilen, jetzt war vor allem die Corona-Krise. Tiefster Respekt vor Rudi Anschober (Anm.: grüner Gesundheitsminister)! Ich freue mich täglich, dass der Gesundheitsminister kein FPÖler ist. Er macht das echt gut und sachlich. Ich finde es auch sehr klass, was die Leonore Gewessler (Anm.: grüne Umwelt- und Verkehrsministerin) da macht mit der Klimaschutzoffensive. Und auch die Alma (Anm.: Zadic, grüne Justizministerin) im Justizbereich - alle Achtung! 

"Heute": Machen die Grünen im Bund genug, um das oft zitierte "Wien-Bashing" der Bundes-ÖVP abzumildern?

Birgit Hebein: Also Wien-Bashing lasse ich mal prinzipiell von niemandem zu, das kommt ja überhaupt nicht in Frage! Zur Kooperation mit den Bundes-Grünen: Ich habe immer gesagt, ich werde die Brücke nützen – und zwar für Wien. Und das tue ich auch. Wir brauchen einfach sehr viele Investitionen im Bereich Klima, Öffi-Ausbau, etc. Da ist es schon sehr gut, dass es eine engagierte Klimaministerin gibt.

"Heute":  Sie sind jetzt seit einem Jahr Wiener Vize-Bürgermeisterin und Grünen-Chefin. Wann haben Sie diesen Schritt zum ersten Mal bereut?

Birgit Hebein: Es ist ein Jahr im Zeichen des Klimaschutzes und Zusammenhalts gewesen. Das habe ich mir vorgenommen und das Versprechen habe ich eingehalten. Wenn ich an die "autofreie City" denke, oder die "coolen Straßen" und an Klimaschutzgebiete, oder an die Tausenden Bäume, die wir alleine heuer gepflanzt haben. Aber eigentlich ist es ein Jahr der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von meinen Abteilungen. Ich bin wirklich beeindruckt, mit welcher Kraft und mit welchem Engagement sie da Ideen voranbringen und umsetzen, wie sehr das gemeinsam funktioniert. Es hat schon einen Grund, warum Wien so klass ist. Es gab da auch keinen Bruch bei der Übergabe von Maria Vassilakou.

"Ich habe den Schritt nie bereut."

Ich habe den Schritt nie bereut. Aber ich halte schon hin und wieder inne und überlege mir: Kann ich das Versprechen einhalten, auch vor mir selber. Und es ist wichtig, dass man auch außerhalb der Politik Freundschaften hat. Manchmal verengt Alltagspolitik die Ansichten. Man braucht auch ein Leben außerhalb der Politik.

Schönster Moment? "Die vielen Kontakte mit den Menschen!"
Schönster Moment? "Die vielen Kontakte mit den Menschen!"
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"Heute": Was war bisher der schönste Moment in ihrer Funktion?

Birgit Hebein: Es gab so viele! Zum Beispiel eine der ersten Begegnungen, die ich gemacht habe: Die mit den Bauhacklern auf der Begegnungszonen-Baustelle der Rotenturmstraße, wie ich sie besucht habe und da mit ihnen gesessen bin. Es sind überhaupt die Begegnungen. Und in der Funktion entdeckt man Wien plötzlich ganz neu.

"Heute": Welcher war der schlimmste Moment?

Birgit Hebein: Würde ich nie verraten. (lacht) Es gab schon unangenehme Situationen, aber der schlimmste Moment fällt mir jetzt nicht ein.

"Heute": Nicht alle finden das Projekt der "coolen Straße" auch cool. Jüngst gab es sogar Kritik der Josefstädter Grünen an der "coolen Straße" am Schlesingerplatz. Der sei ohnehin schon mit Bäumen und einem Brunnen ausgestattet.

Birgit Hebein: Die Entscheidung, wo "coole Straßen" kommen, treffe ich mit den Bezirksvorstehern gemeinsam. In einer wirklich klassen Kooperation. Finde ich sehr klass, dass da jetzt 16 Bezirke einsteigen. Und wir arbeiten ja noch an insgesamt 20 dauerhaften "coolen Straßen", zusätzlich zu den 18 temporären. Sie sollen heuer und nächstes Jahr umgesetzt werden. Denn: Wenn wir nichts tun, heizt sich die Stadt bis 2050 um 7,6 Grad auf, das ist ernst zu nehmen. Rasches Handeln ist notwendig, wir haben keine Zeit zu verlieren. Es kommt auch viel Druck aus der Bevölkerung, die so etwas haben will. Es sind immer gemeinsame Entscheidungen, Verkehrsexperten schlagen Plätze vor, die Hitzekarte spielt dabei auch eine große Rolle.

Zum Fall Schlesingerplatz: Es gibt bestimmte Kriterien, die gelten für alle. Und es war eine gemeinsame Entscheidung.

"Heute": Apropos rasch und cool: Nicht ganz cool fand offenbar Bürgermeister Ludwig Ihr forsches Vorgehen bei der "autofreien City". Er habe aus den Medien davon erfahren...

Birgit Hebein: Ich habe ein korrektes Verhältnis mit dem Herrn Bürgermeister, wir sind uns in den Zielen völlig einig, wir haben sie gemeinsam beschlossen: Wir wollen CO2 um die Hälfte reduzieren in den nächsten Jahren. Und da muss man halt auch Maßnahmen setzen, ein Papier allein ist zu wenig. Er war selbstverständlich permanent darüber informiert, dass hier Gespräche laufen. Dem Bezirksvorsteher im 1. Bezirk (Anm.: Markus Figl, ÖVP) war es sehr wichtig, dass er sein Verkehrskonzept zuerst den anderen Parteien erst einmal abstimmt. Es waren gemeinsame Entscheidungen. Leid tut mir nur, dass es ein paar Tage zu früh durchgesickert ist - und die Bezirks-SPÖ dann nicht bei der Präsentation dabei war fand ich auch schade.

"Heute": Thema "autofreie City": Wird das Projekt Ihrer Meinung nach so umgesetzt, wie Sie und City-Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) es präsentiert haben? Treten Sie zurück, wenn es gestoppt wird?

"An ein Scheitern glaube ich nicht, an die Umsetzung vor der Wahl aber schon."

Birgit Hebein: Ich habe vergangenen Mittwoch das Verfahren eingeleitet, die Verhandlung wird am 15. Juli sein. Dann wird man sehen, was für Rückmeldungen und Vorschläge hereinkommen. Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass, wenn man an Klimaschutz denkt und an die Zukunft unserer Stadt, man dieses Projekt unterstützt. An ein Scheitern glaube ich nicht, an die Umsetzung vor der Wahl aber schon.

Anfang Juli will Hebein ein Gesamtkonzept zum Verkehr in Wien vorlegen - ein neues System zur Parkraumbewirtschaftung inklusive.
Anfang Juli will Hebein ein Gesamtkonzept zum Verkehr in Wien vorlegen - ein neues System zur Parkraumbewirtschaftung inklusive.
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"Heute": Ist die City-Maut noch eine Option? Sie haben ja zu Beginn Ihrer Tätigkeit den Vorschlag einer Maut für ganz Wien gemacht.

Birgit Hebein: Es sind keine Überlegungen vom Tisch, die dem Klimaschutz dienen. Denn wir müssen der Klimakrise den Kampf ansagen. Ich habe im Herbst einen Prozess gestartet mit allen Parteien - auch auf Bezirksebene - mit Wissenschaftlern, NGOs, Wirtschaftskammer und auch Transportbetrieben. Fragestellung: Wie können wir nachhaltige Verkehrspolitik in Wien machen? Jetzt machen wir gerade ein Bürgerbeteiligungsverfahren. Dann kommt eine Schlussrunde. Der Prozess verläuft sehr konstruktiv. Wir werden ihn demnächst abschließen und die Ergebnisse Anfang Juli präsentieren. Da ist auch die Frage einer Vereinheitlichung der Parkraumbewirtschaftung beinhaltet. Auf einer zweiten Schiene laufen Gespräche mit Niederösterreich, auch unter Einbeziehung der Klimaministerin. Zum Beispiel über gemeinsamen Radwegsausbau.

"Heute": Seit kurzem gibt's in Wien ja vier Pop-up-Radwege. Wann und wo poppt der nächste auf?

Birgit Hebein: Im Mai haben wir fast eine Million Radfahrer gezählt – ein unglaublicher Boom. Auch die Pop-up-Radwege werden gut angenommen, wie Untersuchungen zeigen ("Heute" berichtete). Dafür braucht es natürlich Platz und sichere Räume. Wir haben ein Radwegeprogramm von über 30 Projekten und hier schauen wir gerade, was wir vorziehen können. Weitere Pop-up-Radwege schließe ich nicht aus. Wir haben laufend Zählungen, in welchen Bereichen besonders Radfahrer Platz brauchen und überlegen täglich, wie wir den Menschen in Wien das Leben erleichtern können. Und dazu zählt eben auch, den Raum so zu verteilen, dass alle Platz haben.

"Heute": Am 11. Oktober ist die Wien-Wahl. Welche Projekte wollen sie vorher noch umsetzen?

Birgit Hebein: Es sind konkret zwei Projekte: die "autofreie Stadt" und der Prozess "nachhaltige Verkehrspolitik". Aber auch die ganzen Stadtentwicklungsprojekte laufen weiter, wir haben z.B. gerade das Grünraumprojekt beschlossen. Wir arbeiten, das Leben geht ja weiter.

"Heute": Ihr Ziel für die Wahl? Gibt's eine Schmerzgrenze?

Birgit Hebein: Wir wollen das beste Ergebnis der Grünen in Wien holen. Da bin ich ganz zuversichtlich. Wien wird Klima-Hauptstadt. Ich sehe durch Corona eine enorme Chance, jetzt in Klimaschutz zu investieren, in Arbeitsplätze - und einen Aufbruch zu schaffen. Die Schmerzgrenze habe ich für mich noch nicht definiert. Aber jetzt hackeln wir mal weiter für Wien, dafür werden wir bezahlt. 

"Jetzt hackeln wir mal weiter für Wien, dafür werden wir bezahlt."

"Heute": Die SPÖ warnt ja vor einer Koalition von den Grünen mit ÖVP und Neos...

Birgit Hebein: Das steht überhaupt nicht zur Diskussion. Das is a Gschichtl. Der Sieger steht fest, der nächste Bürgermeister heißt Michael Ludwig. Und er wird entscheiden in Richtung Zukunft, Klimaschutz, Zusammenhalt mit den Grünen – oder zurück mit der ÖVP. Das ist die eigentliche Frage. Eine Koalition mit der SPÖ um jeden Preis werden wir aber nicht eingehen, wir treten schon an mit Haltungen und Themen. Wir können jetzt nichts übersehen, was die Klimakrise angeht. 

"Heute": Wer gewinnt das Rennen: Die FPÖ oder Heinz-Christian Strache mit seiner Liste?

Birgit Hebein: Ich glaube, sie werden sich gegenseitig bekämpfen. Aber auch das ist Demokratie. Ich finde es nur charakterschwach, wenn jemand mit dem halben Fuß im Häfn ist, das Land verkaufen will und dann antritt und sagt: "Da bin ich!"