Gesundheit

Impfungen schützen mehr als du glaubst

Große Studien belegen einen Mehrwert von Impfungen. Sie schützen nicht nur vor den eigentlichen Erregern, sondern auch vor Langzeitschäden wie Demenz.

Sabine Primes
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Herzinfarkt, Demenz, Schlaganfall - alles mögliche Folgen von Infektionen, die durch Impfungen verhindert werden können.
Herzinfarkt, Demenz, Schlaganfall - alles mögliche Folgen von Infektionen, die durch Impfungen verhindert werden können.
Getty Images/iStockphoto

Der Schutz vor Infektionen beziehungsweise durch übertragbare Krankheitserreger ausgelöste Erkrankungen ist das primäre Ziel von Impfungen. Doch der Effekt von Vakzinen reicht offenbar weit darüber hinaus. Aus aktuellen internationalen Studien lässt sich zusätzlicher Schutz gegen Herzinfarkt, Schlaganfall und beispielsweise auch gegen Demenz ableiten.

Gesundheit / Krankheit ist umweltabhängig

"Die Menschen werden immer älter. Zu gesundem Altern führt aber ein lebenslanger Prozess. Aus Zwillings-Studien wissen wir, dass drei Viertel von Gesundheit bzw. Krankheit auf Umweltfaktoren beruhen", sagt Mark Doherty, leitender Medical Affairs Manager des britischen Pharmakonzerns GlaxoSmithKline (GSK), anlässlich einer Online-Diskussion zum Thema "Impfungen als lebenslanges Konzept".

Zu "Umweltfaktoren" gehören auch Infektionserkrankungen, die per se gefährlich sein können, aber offenbar auch kurz-, mittel- und langfristige weitere Konsequenzen haben. Doherty: "Eine Atemwegsinfektion führt in den ersten drei Tagen bei über 18-Jährigen zu einem um das Fünffache gesteigerten Herzinfarkt- und zu einem um das Dreifache gesteigerten Schlaganfallrisiko. Diese erhöhte Gefährdung hält bis zu drei Monate an." 14 Tage nach der Infektionskrankheit liegt demnach die Infarkthäufigkeit noch beim Dreifachen nicht infizierter Personen, die Häufigkeit eines Schlaganfalls beim Doppelten." Das lässt sich durch die Influenza-Impfung verhindern.

Impfungen gegen Schlaganfall und Demenz

Neu sind laut Doherty in diesem Zusammenhang Daten zur Varicellen-Impfung gegen Herpes zoster, die älteren Menschen zur Vorbeugung der Gürtelrose angeraten wird. Belegt wurde dies in den USA. Der GSK-Manager: "Dort hat man nach Herpes zoster-Impfung an rund 200.000 Menschen gezeigt, dass sich das Schlaganfallrisiko bei den 60- bis 64-Jährigen um zwölf Prozent, bei den 65- bis 69-Jährigen gar um 51 Prozent reduzierte."

Erst am 15. September veröffentlichte ein Team um Timothy Wiemkam (Saint Louis University/USA) in der Fachzeitschrift "Vaccine" eine wissenschaftliche Untersuchung zum Thema Influenza-Impfung und Demenzrisiko bei älteren Menschen. Dazu wurden rund 120.000 Personen (96 Prozent Männer) im Durchschnittsalter von 75,5 Jahren ausgewertet. Fazit: Wer sich mindestens vor sechs Wintersaisonen gegen die Erkrankung per Impfung schützen ließ, hatte gegenüber Vergleichspersonen mit keiner oder weniger Impfungen ein um zwölf Prozent geringeres Demenzrisiko. 

In der US-Wissenschaftszeitschrift PlosOne erschien von der gleichen Studiengruppe erst am 17. November eine ganz ähnliche Untersuchung mit Daten von 136.000 Personen und einer Vergleichsgruppe von 172.000 Personen. Die Angehörigen beider Gruppen im Alter von über 65 Jahren waren zu Beginn des Beobachtungszeitraums (2008) ohne Demenzdiagnose. Ergebnis: Die Herpes zoster-Impfung war im Vergleich zu Nicht-Geimpften mit einem signifikant geringeren Demenzrisiko verknüpft. Bei den Geimpften hatte man bis 2019 eine um 31 Prozent reduzierte Häufigkeit von auftretender Demenz registriert.

Impfungen nicht nur Individualschutz

Das alles soll auch einem Trend entgegenwirken, der auch für die Covid-19-Problematik gilt. Rudolf Schmitzberger, Impfreferent der Österreichischen Ärztekammer: "Die Menschen haben zunehmend begonnen, Impfungen nur als Individualschutz zu betrachten." Deshalb habe Österreich bei der Zeckenimpfung höhere Durchimpfungsraten als bei anderen - von Mensch zu Mensch übertragbaren - Erkrankungen. Die rund um die Covid-Impfung völlig falschen Gegenargumente der Gegner und Skeptiker seien übrigens nicht neu, so der Experte: "Vor 200 Jahren hat man in Tirol die obligatorische Pockenimpfung eingeführt. Auch damals gab es 'Warnungen', dass die Impfung die Fertilität von Frauen reduzieren würde." Die Pocken sind durch die Impfung weltweit seit Mai 1980 ausgerottet.

GB: Kostenlose Impfungen für alle Altersgruppen

In Großbritannien setzt das staatliche Gesundheitssystem (NHS) über alle Altersgruppen hinweg auf kostenlose Impfungen. In Österreich war das bis vor kurzem vor allem auf die Kinderimpfungen beschränkt. David Taylor vom University College London: "Impfungen haben einen enormen Effekt. Bei den Kosten machen sie hingegen nur 0,5 bis ein Prozent der Gesundheitsausgaben aus. Wir haben in Großbritannien 14 kostenlose Impfungen." Für Erwachsene und ältere Menschen sind in Großbritannien auch die kostenlosen Impfungen gegen Keuchhusten (Auffrischung), Herpes zoster, Influenza und Pneumokokken vorgesehen.

Pneumokokken sind Bakterien, die verschiedene, mehr oder weniger schwere Krankheiten verursachen können: von unangenehmen, aber nicht lebensgefährlichen Mittelohrentzündungen, über die bereits gefährlicheren Lungenentzündungen, bis hin zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Hirnhautentzündung und Blutvergiftung.