Überraschende Studie

Ist Nägelkauen tatsächlich so schlecht wie sein Ruf?

An den Nägeln kauen – während einer Prüfung, im Wartezimmer oder im Zug? Viele von uns haben das schon einmal getan. Aber ist das schlimm?
Heute Life
18.05.2025, 16:38
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Die heurige Matura-Saison geht in die heiße Phase. Die schriftlichen Prüfungen sind (mehr oder weniger) geschafft, die mündlichen folgen im Juni. Eine stressige Zeit für viele Jugendliche – und ihre Eltern – von denen nicht wenige anfangen werden, an ihren Nägeln zu kauen.

Ohne groß darüber nachzudenken, wandert die Fingerspitze an die Lippen, die Zähne beißen ein kleines Stück Nagel ab, schaben daran oder greifen sogar ein Stück Haut an. Besonders hygienisch oder gesellschaftlich akzeptiert ist das nicht – und dennoch machen es viele von uns.

Handelt es sich um eine Krankheit?

Nicht wirklich. Häufig dient das Nägelkauen als Stressbewältigungsstrategie – etwa wenn man bei einer Prüfungsfrage oder einer professionellen E-Mail nicht weiterweiß, vor einem wichtigen Bewerbungsgespräch wartet oder einfach bei einem nervenaufreibenden Film mitfiebert. Manchmal ist es auch einfach ein störendes Gefühl an einem Finger oder ein einreißender Nagel, den man lieber mit den Zähnen entfernt, als eine Schere zu holen. Daraus kann ein Teufelskreis entstehen: Je öfter man Nägel kaut, ohne sie zu feilen, desto schwächer und brüchiger werden sie.

Die sogenannte Onychophagie kann aber auch ein Anzeichen für emotionale Probleme sein. Es handelt sich um einen körperlichen Tick, ähnlich wie das Nasebohren (vor allem bei Kindern, wie man hoffen darf), das Drehen oder Ausreißen von Haaren (Trichotillomanie) oder das Aufkratzen der Haut bis hin zu Wunden (Dermatillomanie).

Ärztlich gesehen spricht man von Impulskontrollstörungen, wenn solche Verhaltensweisen zwanghaft und wiederholt auftreten.

Aber warum beschränken sich solche Ticks auf eine bestimmte Anzahl von Handlungen? Man könnte sich auch vorstellen, dass Menschen stattdessen die Finger beugen und strecken, am Ohrläppchen reiben oder die Zunge im Mund bewegen. Dennoch sind es meist dieselben Verhaltensweisen, die auftreten. Warum das so ist, wissen Fachleute bislang nicht.

Ist das weitverbreitet?

Ja! Allerdings gibt es bislang nur wenige großangelegte Studien dazu. Die vorhandenen Untersuchungen legen nahe, dass etwa 10 bis 20 Prozent der Erwachsenen regelmäßig an ihren Fingernägeln kauen – und 20 bis 45 Prozent es schon einmal getan haben oder noch tun. Besonders häufig ist das Verhalten bei Jugendlichen: Zwischen 20 und 45 Prozent von ihnen sollen betroffen sein.

Kein Wunder – schließlich ist diese Lebensphase geprägt von Veränderungen, intensiven Gefühlen und Stress. Daraus kann sich ein Tick entwickeln, der in den meisten Fällen mit der Zeit wieder verschwindet. Onychophagie betrifft besonders ängstliche Menschen, aber auch solche, die sich leicht langweilen oder Perfektionisten sind, denen es schwerfällt, zu entspannen.

Ist es schlimm?

Was die körperliche Gesundheit angeht, eher nicht – solange es nicht zu Schmerzen, Blutungen oder Infektionen führt.

Eine Langzeitstudie einer internationalen Gruppe von Forschern hat 2018 sogar ergeben, dass das Nägelkauen das Immunsystem stärkt. Dazu wurden die Daten von mehr als 1.000 Kindern aus Neuseeland im Alter von fünf bis elf Jahren herangezogen. Die Wissenschaftler wollten von deren Eltern wissen, ob ihre Kinder ebenfalls diese Angewohnheit aufwiesen. Als die Kinder 13 und schließlich 32 Jahre alt waren, mussten sie sich einem Allergietest unterziehen.

Dabei kam Erstaunliches heraus: Von denjenigen Probanden, die nicht Nägel kauten, hatten fast 50 Prozent eine Allergie entwickelt. Dagegen litten nur 38 Prozent daran, die es früher taten. "Wir wollen nicht dazu ermuntern, diese Angewohnheiten zu verstärken, aber sie scheinen positive Nebeneffekte zu haben", meint Studiencoautor Malcolm Sears von der McMaster University im kanadischen Hamilton.

Was kann man dagegen tun?

Ein Kind auszuschimpfen, weil es an den Nägeln kaut, ist kontraproduktiv – das erhöht meist nur den Stress. Fachleute empfehlen eine Methode, die auf vier Schritten basiert:

➤ Beobachten, in welchen Situationen man an den Nägeln kaut.

➤ Eine Alternative finden (etwa die Faust ballen oder mit einem Anti-Stress-Ball spielen).

➤ Mehrmals täglich diese Situationen gedanklich durchspielen und sich dabei die alternative Handlung vorstellen.

➤ Sich regelmäßig daran erinnern, warum man aufhören will.

Die gute Nachricht: Fingernägel wachsen schnell! Etwa drei Millimeter pro Monat – das ist dreimal so schnell wie Fußnägel. Also, liebe Nagelkauerinnen und Nagelkauer: Viel Erfolg!

{title && {title} } red, {title && {title} } 18.05.2025, 16:38
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