Gesundheit

Wer jetzt bei der Psychologin anklopft

Wer im Lockdown psychische Unterstützung braucht, kann sich an Psychologin Marion Kronberger wenden. "Heute" bat sie zum Gespräch.

Sabine Primes
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Der aktuelle Lockdown stellt unsere psychische Kraft einmal mehr auf die Probe.
Der aktuelle Lockdown stellt unsere psychische Kraft einmal mehr auf die Probe.
Getty Images

Täglich grüßt das Murmeltier. Seit Montag befindet sich Österreich wieder im Lockdown. Rechnet man die "Osterruhe" mit, ist es der bereits fünfte in der Bundeshauptstadt. Während manche bereits Lockdown-"Routiniers" sind, setzt die Isolation vielen Menschen - ob alt oder jung - nach wie vor psychisch extrem zu. Bereits in den vergangenen Lockdowns stieg die Zahl Betroffener von Depressionen, Angststörungen und Essstörungen. "Heute" hat dazu ausführlich berichtet.

"Viele ehemalige Patienten kommen wieder"

Dass dieser Lockdown wieder "alte Wunden" vergangener Lockdowns aufreißt, merkt die Klinische Psychologin Marion Kronberger in ihrer Praxis. "Es kommen viele Patienten wieder, denen es eigentlich wieder gut gegangen ist, aber durch den Lockdown erneut Unterstützung brauchen", berichtet sie im "Heute"-Gespräch. Vor allem psychisch instabile Personen würden durch solche Extremsituationen wie einem totalen Lockdown verunsichert, so Kronberger.

Auch neue Klienten hätte sie aufgrund der Pandemie gewonnen, erzählt sie. Wiewohl eine psychische Behandlung letztlich immer eine Frage der Finanzierung sei. Denn die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) übernehme keine Behandlungskosten bei studierten Psychologinnen und Psychologen im niedergelassenen Bereich, wie Kronberger berichtet. Bei Psychotherapeuten schon - obwohl beide das gleiche ausüben. Gerade im Zuge der Pandemie wirkt sich aber besonders einschneidend aus, dass diese Leistungen nicht mit der ÖGK abgerechnet werden können. "Vor allem unter dem Aspekt, dass aufgrund der Krise ein deutlich erhöhter Bedarf da ist." Denn freie Kapazitäten wären bei ihr wie auch Kollegen noch vorhanden. 

UNTERSCHIED Psychologe / Psychotherapeut
Zur Führung der Berufsbezeichnung "Psychologe" ist berechtigt, wer das Universitätsstudium der Psychologie abgeschlossen hat. Innerhalb des Studiums gibt es vielfältige Bereiche (z.B. Klinische Psychologie, Gesundheitspsychologie, Neuropsychologie, Sportpsychologie, Wirtschaftspsychologie, Rechtspsychologie, Schulpsychologie u. v. m.), anhand derer man einen persönlichen Schwerpunkt setzen kann. Nach Abschluss des Studiums folgt eine weitere 2-jährige Ausbildung.
Psychotherapeuten haben ihre Ausbildung gemäß dem österreichischen Psychotherapie-Gesetz absolviert, wobei sie sich auf eine der zahlreichen psychotherapeutischen Richtungen spezialisieren. Hauptsächlich wird jedoch auf einer verbalen Ebene (z.B. therapeutische Gespräche) gearbeitet. Um diese Ausbildung beginnen zu können, müssen sie allerdings Vorkenntnisse auf bestimmten Gebieten besitzen. Der Abschluss eines Psychologie-Studiums ist aber nicht Voraussetzung.
WICHTIG: Weder ein Psychologe noch ein Psychotherapeut dürfen Medikamente (Antidepressiva, etc.) verschreiben. Das darf nur ein Arzt! Im psychischen Bereich ist der Psychiater dafür der richtige Ansprechpartner.

Die Psychologin behandelt ab dem Jugendalter. Zu ihr kommen Menschen mit einem diagnostizierten psychischen Problem wie Depression oder Angststörung, als auch Klienten, die bis dato noch nicht in psychologischer Betreuung waren. Dabei geht es nicht immer um eine Langzeittherapie, sondern oft - so wie im Falle eines Lockdowns - um sogenannte Kurzzeitinterventionen. 

Im Prinzip gehe es darum, die globale große Situation auf die Einzelperson runterzubrechen. "Denn jeden belastet in dieser Zeit etwas anderes: Der eine hat Existenzängste, die andere belastet die Betreuungssituation der Kinder, der Dritte hat Probleme im Home Office zu arbeiten", differenziert die Fachfrau.

Frauen suchen eher psychologische Hilfe

Frauen kämen eher in Behandlung als Männer, sagt die Psychologin. Das liege vor allem daran, dass Frauen sich Probleme oder Sorgen eher eingestehen, während Männer bei psychologischen Themen eine relativ hohe Hemmschwelle haben und erst viel später Hilfe aufsuchen.

Entlastung ist der Schlüssel

Etwas zu finden, wobei die Person Entlastung verspürt sei der Schlüssel, um nicht aus dem psychischen Gleichgewicht zu kommen. "Denn wenn eine so große Maßnahme wie ein Lockdown über unseren Kopf hinweg entschieden wird, fühlt man sich ohnmächtig, verunsichert, traurig oder wütend. Um aus dieser Ohnmacht wieder rauszukommen, gilt es, wieder handlungsfähig zu werden - und gelingt, wenn wir aktiv etwas tun." 

Krisen-Nummern
Die Corona-Sorgenhotline ist täglich von 8 bis 20 Uhr unter 01400053000 erreichbar. Unter 142 ist die Telefonseelsorge 24 Stunden für Betroffene da.
Einfache Übung
Um ins Hier und Jetzt zu finden: Nennen Sie laut 5 Dinge, die Sie sehen, 5 Dinge, die Sie hören, und 5 Dinge, die Sie spüren. In Runde zwei nennen Sie statt 5 Dingen nur noch 4 Dinge pro Kategorie. Gehen Sie immer weiter runter, bis Sie bei einer Nennung angekommen sind.

Bewegung als Stressventil

Daher rät Kronberger all ihren Klienten zu Bewegung an der frischen Luft. Auch wenn es nur ein Spaziergang um den Häuserblock ist. Aber die Abwechslung von den eigenen vier Wänden und eine Luftveränderung tut immer gut und Bewegung baut Stresshormone ab. Außerdem entspannt es die Beziehung zu den Mitbewohnern. Je enger der Wohnraum, desto wichtiger sei es rauszugehen. Bewegung sei auch gut, um den innerlich aufgestauten Ärger rauszulassen.

Alternativ empfiehlt die Psychologin auch ein Tagebuch zu führen und sich die negativen Gefühle von der Seele zu schreiben. Dabei wichtig: Immer mit etwas Positivem enden. "Gedanken können unsere Stimmung beeinflussen und verändern. Wenn wir in negativen Gedanken hängen bleiben, macht uns das unzufrieden - und das belastet." Auf andere Menschen zugehen, auch wenn es Lockdown-bedingt nur telefonisch ist, sei ein weiterer Schritt aus der Ohnmacht und werde in den allermeisten Fällen positiv aufgefasst - immerhin sitzen alle im selben Boot. 

Der Blick nach vorne sei essentiell und die Frage "Wie komme ich da jetzt durch?" Dazu helfe ein Blick zurück in vergangene Krisensituationen und die Überlegung, wie man sie gemeistert hat. Das steigere auch die psychische Widerstandsfähigkeit (Resilienz). "Jeder von uns hat schon Krisen gemeistert und daraus etwas gelernt, weil wir in Krisen gefordert sind, aktiv zu werden, etwas zu verändern oder Neues auszuprobieren."