"Wer zahlt was?" Diese Frage sorgt nach einem Abendessen mit Familie oder Freunden am Restauranttisch oft für Diskussionen. Vor allem, wenn nicht alle gleich viel bestellt oder getrunken haben.
Ein Wirt im deutschen Esslingen hat genug davon: In seinem italienischen Lokal verbietet er ab sofort das getrennte Bezahlen, denn das bedeute zu viel Aufwand für sein Servicepersonal.
In der benachbarten Schweiz überlegen sich Restaurantinhaber ebenfalls Maßnahmen gegen das getrennte Zahlen – zum Ärger des einen oder anderen Kunden, wie aus der Community zu hören ist. Zwischen den Generationen gibt es jedoch Unterschiede. Das Nachrichtenportal "20 Minuten" hat sich auf den Schweizer Straßen umgehört:
Florian (27) aus Bern kann den Entscheid des deutschen Restaurants nachvollziehen: "In meinem Freundeskreis zahlt immer eine Person und im Nachhinein twinten die anderen. Wir machen das dem Personal zuliebe – im Service ist man ja ohnehin schon unter Zeitdruck."
Auch Lara (28) aus Zürich handhabt es mit der schweizerischen Bezahl-App Twint: "Einzeln zu zahlen, ist nicht nur für den Kellner mühsam, sondern auch für uns." Meistens teile ihre Runde die Gesamtsumme einfach durch die Anzahl der Personen: "Aber wenn einige viel mehr konsumieren, kann es auch mal vorkommen, dass wir die Rechnung anteilsmäßig aufteilen."
Auch Sirin (18) aus Döttingen im Aargau setzt auf das Abrechnen mit Twint: "Es soll am Schluss fair sein. Wer mehr isst oder trinkt, zahlt auch mehr." Die Option, separat zu bezahlen, soll aber bestehen bleiben: "Gerade in Deutschland haben sie ja kein Twint." Allegra (19) aus Gockhausen ZH sieht es ähnlich: "Eine große Runde sollte nicht einzeln bezahlen, aber bei drei bis vier Leuten sollte die Möglichkeit schon bestehen bleiben."
Franziska (66) aus Seuzach hingegen will in der Regel eine separate Rechnung, wenn sie mit anderen ins Restaurant geht. "Mein Partner und ich trinken meistens nur Mineralwasser. Ich will nicht den Alkoholkonsum der anderen mitfinanzieren."
Letztens seien sie mit einem anderen Paar in einem Restaurant gewesen und wollten separat bezahlen. "Der Kellner antwortete uns, dass er keine Zeit dafür habe und wir das selber ausrechnen sollen. Das ist einfach eine Frechheit." Doch sie hätten auf zwei Rechnungen bestanden. "Auf jeden Fall war es das letzte Mal, dass wir dort essen waren."
Franziska habe früher auch mal als Kellnerin gearbeitet: "Das gehört einfach zu meinem Job. Außerdem gibt es mehr Trinkgeld, wenn jeder einzeln bezahlt." Alfred (61) pflichtet ihr bei: "Nicht der Gastronom, sondern der Kunde ist König."
Rainer Hoffer, Pächter des Restaurants "Rössli" in Illnau-Effretikon, ärgert sich über separates Bezahlen: "Getrennt zu zahlen, ist anderen Gästen gegenüber schlicht rücksichtslos. Den Kellner minutenlang zu blockieren, zeugt von mangelndem Respekt." Bei zwei oder drei Personen sei das kein Problem. "Aber wenn bei einem Zwölfer-Tisch alle separat zahlen wollen, kann das locker 20 Minuten dauern – und das passiert oft genau dann, wenn das Restaurant voll ist." Mit Handy-Taschenrechner und der Bezahl-App "Twint" hätten die Gäste genügend Möglichkeiten, die Rechnung selbst aufzuteilen.
In Wien habe Hoffer auf Menükarten oft den Hinweis gesehen, dass ab einer gewissen Gruppengröße nur Gesamtrechnungen ausgestellt würden. "So etwas könnte ich mir auch bei uns vorstellen, denn das ist gastfreundlich gegenüber den anderen Gästen." Auch ein Hinweis auf der Karte, dass ein Wunsch nach separater Bezahlung gleich zu Beginn geäußert werden soll, sei bei ihnen schon diskutiert worden. "Dann kann das Team die Rechnungen von Anfang an an der Kasse entsprechend erfassen."
Auch der Zürcher Gastrokönig Michel Péclard – Inhaber von "Fischer’s Fritz" und "Pumpstation" – kennt die Diskussionen: "Das ist ein schwieriges Thema. Wir wollen das in unseren Restaurants ermöglichen, verstehen aber auch, dass es für die Kellner mühsam ist." Der Zeitaufwand sei riesig: "Dann werden einfach die Gäste an den anderen Tischen hässig." Natürlich stehe das Wohlbefinden der Gäste im Zentrum. "Aber auch die Kellner sollen sich wohlfühlen."
Dass beim separaten Bezahlen allenfalls mehr Trinkgeld anfällt, glaubt Péclard nicht: "Diejenigen, die alles genau aufteilen wollen, sind wahrscheinlich nicht die, die viel Trinkgeld geben."
Zum Verbot des deutschen Restaurants sagt Péclard: "Wenn sich ein Betrieb das leisten kann, bitte. Aber man darf sich dann nicht wundern, wenn die Gäste wegbleiben." Für ihn sei ein solcher Schritt keine Option: "Der Gast ist König – und wir wollen ihn nicht bevormunden."
Wie verbreitet das getrennte Bezahlen in der Schweiz ist und ob es Betriebe gibt, die das nicht erlauben, ist unklar. Laut GastroSuisse gibt es keine Erhebungen dazu. "Das Wohl der Gäste liegt unserer Branche am Herzen. Wie ein Betrieb damit umgeht, liegt im Ermessen der unternehmerischen Freiheit", heißt es auf Anfrage.