Ein letzter, genüsslicher Zug an der Tschick, bevor es zurück ins Büro geht. Die Anspannung ist in den letzten 7 Minuten spürbar weniger geworden – der Schädel fühlt sich leichter an, die Schultern sind locker. Doch kaum sitzt du wieder am Schreibtisch, meldet sich schon wieder das bekannte Gusto auf den nächsten Glimmstängel.
Weltweit kämpfen rund 1,3 Milliarden Menschen mit Problemen durch Tabakkonsum. In Österreich greift laut Daten der ÖGK etwa jeder Fünfte über 15 Jahre täglich zur Zigarette. Viele rutschen dabei in eine Abhängigkeit. Wie futurezone.at berichtet, schüttet das Hirn beim Rauchen Dopamin aus – den Botenstoff für Wohlbefinden und Belohnung. Nach und nach braucht der Körper immer mehr Nikotin, um denselben Effekt zu spüren, egal ob zur Beruhigung oder gegen Stress. Das Aufhören fällt daher vielen schwer.
Wer es allein nicht schafft, kann sich im Rahmen einer sogenannten Expositionstherapie professionelle Hilfe holen. Die ist aber oft aufwändig und schwer zugänglich.
Hier setzt das neue Forschungsprojekt Automating Therapy an. Es soll den Weg zur Rauchfreiheit erleichtern. Das Team der Universität Wien rund um Frank Scharnowski entwickelt gemeinsam mit Phobius ein automatisiertes Therapiesystem für Suchterkrankungen und Angststörungen.
Im ersten Schritt liegt der Fokus auf Tabaksucht und Spinnenangst. Das System verbindet Künstliche Intelligenz, Biosensoren sowie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR). Mit VR und AR werden den Betroffenen Bilder gezeigt, die typischerweise Gusto oder Stress auslösen. "Bei einer Tabaksucht kann das etwa eine Zigarettenschachtel oder das Anzünden einer Zigarette sein", erklärt Scharnowski der Plattform futurezone.
Es gibt laut Scharnowski eine individuell abgestimmte Hierarchie von Auslösern, die bei jedem Menschen nach und nach Verlangen oder Angst hervorrufen können. Mithilfe von Biosensoren werden Herzfrequenz und Hautleitfähigkeit gemessen, wenn die Reizbilder gezeigt werden. Das gibt wichtige Hinweise. "Unser System nimmt diese Biosignale auf und passt sie in der Intensität automatisch an den Gefühlszustand an. Ziel ist, dass der Patient mehr Toleranz aufbaut und lernt, sein Verlangen auszuhalten, ohne zur Zigarette zu greifen", so Scharnowski. Wichtig sei, dass die Reize fordernd sind, aber niemanden überfordern oder langweilen.
Die KI verarbeitet mehrere Datenquellen gleichzeitig: Neben den Biosignalen fließen auch persönliche Angaben aus Fragebögen ein – etwa zum eigenen Rauchverhalten. "Therapeuten fragen sie außerdem immer wieder, wie viel Verlangen oder Angst sie gerade spüren", sagt der Experte. Auf Basis dieser Informationen erstellt die KI Vorhersagen, wie jemand auf bestimmte Reize reagieren wird. Das System lernt obendrein, wie jemand auf einen Reiz reagiert hat, und kann so die Intensität steigern. Es soll verschiedene Methoden ermöglichen. "Eine davon ist ein klinisches Assistenzsystem. Dieses findet in der Praxis mit dem Therapeuten statt. Der Algorithmus optimiert die Reizauswahl und unterstützt so die Therapie", erklärt Scharnowski. Das Ziel ist auch, ein selbstständiges System für daheim zu entwickeln – als eine Art Hausübung zwischen den Sitzungen.
Für Menschen, die keine Therapie machen, könnte das System auch zur Vorbeugung dienen. "Wenn jemand etwa erkennt, dass ein Familienmitglied Angst vor Spinnen entwickelt, könnten sie die Software herunterladen und zu Hause kontrolliert anwenden. So kann man auf eine Angst reagieren, bevor sie zum Problem wird", meint der Wissenschafter.
Für den Heimgebrauch soll die Software mit Bildern über Tablet, Handy oder AR-Brille funktionieren. Weil das System eine flexible Architektur hat, lässt es sich auch auf andere Probleme ausweiten.