Der Klimawandel ist nicht nur eine ökologische und technologische Herausforderung – er ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Eine aktuelle Studie mit Beteiligung der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien zeigt: Besonders vulnerable Gruppen wie einkommensschwache Haushalte und ältere Menschen sind von den Folgen wie Hitze besonders betroffen.
Selbst gut gemeinte Maßnahmen wie die Begrünung von Stadtteilen können unbeabsichtigt zur Verdrängung jener führen, die eigentlich geschützt werden sollen – wenn soziale Aspekte nicht von Anfang an mitgedacht werden, berichtet ORF.at
"Die Auswirkungen des Klimawandels sind auf verschiedenen Ebenen spürbar – besonders in städtischen Hitzeinseln, in denen die Umweltbedingungen durch eine geringe Grünraum-Bedeckung und eine hohe Konzentration vulnerabler Gruppen verschärft werden", so Michael Friesenecker vom Institut für Landschaftsplanung der BOKU in Wien.
"Wir haben auch Projektionen zur Entwicklung vulnerabler Bevölkerungsgruppen erstellt, die auf sozioökonomischen Szenarien beruhen", so Friesenecker. "Unsere Berechnungen zeigen: In einem Szenario der geopolitischen Abschottung mit Fokus auf Sicherheit statt Sozialpolitik drohen wachsende soziale Ungleichheiten.
Wenn nicht gleichzeitig Klimaschutzmaßnahmen und soziale Gerechtigkeit – insbesondere in den Bereichen Bildung und Einkommen – in den Mittelpunkt der Politik gestellt werden, drohen massive Herausforderungen bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels."
Weiteres Ergebnis der Studie: Die Begrünung von Stadtgebieten – als Maßnahme zur Klimaanpassung – berge das Risiko der Verdrängung einkommensschwacher Gruppen. Wenn Grünflächen in gefährdeten Stadtteilen ausgebaut werden, steigen oft die Immobilienpreise. "Dies verdrängt diejenigen, die eigentlich von diesen Maßnahmen profitieren sollen", so Friesenecker.
Besonders in unregulierten Mietmärkten bestehe dieses Risiko in erhöhtem Maße, auch in Wien treffe das auf den privaten Mietwohnungsmarkt zu.
Die Studie belegt jedoch auch, dass der Anteil sozialer Wohnbauprojekte das Gentrifizierungs-Risiko erheblich senken kann. "Jeder zusätzliche Prozentanteil an sozialem Wohnbau verringert das Risiko einer Gentrifizierung um vier bis fünf Prozent", heißt es.
"Gerade vor dem Hintergrund globaler Tendenzen, Wohnen als Ware zu betrachten, war es uns am Beispiel Wiens – wo sozialer Wohnbau eine zentrale Rolle spielt – besonders wichtig, diesen Zusammenhang sichtbar zu machen", sagt Friesenecker.
Gentrifizierung bezeichnet den Prozess, bei dem einkommensschwache Haushalte durch einkommensstarke Haushalte in innerstädtischen Quartieren verdrängt werden. Dieser Prozess geht oft mit einer Aufwertung der Immobilien und der Infrastruktur einher.
"Die Verknüpfung von Klimawandelanpassung und sozialer Gerechtigkeit ist entscheidend, wenn wir als Gesellschaft langfristig resilient bleiben wollen", so Friesenecker. "Klimaschutz und die Verringerung sozialer Ungleichheiten müssen Hand in Hand gehen, damit wir eine zukunftsfähige, gerechte und lebenswerte Stadt für alle schaffen können."