Politik

So erklärt Van der Bellen seinen Kopftuch-Sager

"Ich habe mich wirklich hinters Licht führen lassen", sagt Präsident Van der Bellen im TV über Wladimir Putin. Und erklärt seinen Kopftuch-Sager.

Rene Findenig
Grobe Fehler beim Vertrauen gegenüber Putin – und ein Kopftuch bald für Männer? Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Grobe Fehler beim Vertrauen gegenüber Putin – und ein Kopftuch bald für Männer? Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Puls 24

"Jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, über eine Ende der Sanktionen nachzudenken", eröffnete Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Mittwochabend sein "Puls 24"-Interview in der Sendung "Milborn Spezial" (Ausstrahlung um 19:55 Uhr auf Puls 24 und in der Zappn-App) mit Moderatorin Corinna Milborn. Die Sanktionen würden Russland "enorm" schaden, der Krieg Russlands gegen die Ukraine sei in eine Phase eingetreten, die zeige, dass Wladimir Putin die Lage völlig falsch eingeschätzt habe. Wenn Europa jetzt Schwäche signalisiere, dann "würden wir später einen viel höheren Preis noch bezahlen".

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    Alexander Van der Bellen erreicht 24.600 Unterstützungserklärungen und tritt für eine zweite Amtsperiode an.
    Alexander Van der Bellen erreicht 24.600 Unterstützungserklärungen und tritt für eine zweite Amtsperiode an.
    Lukas Kafenda / OTS

    Österreich ist bekanntlich enorm abhängig vom russischen Gas, doch noch im Jahr 2018 hatte Van der Bellen erklärt, man habe mit Gas aus Russland die besten ökonomischen Erfahrungen gemacht. Der Bundespräsident hatte damals auch Warnungen der USA vor der Abhängigkeit beiseite geschoben, es hätte ökonomisch wenig Sinn gemacht, russisches Gas durch amerikanisches Flüssiggas zu ersetzen, das dreimal so teuer sei. Der Vertrag zwischen Gazprom und OMV sei auf einem "sehr gutem Fundament" gebaut, hatte Van der Bellen 2018 behauptet. Dass die Warnungen damals nicht ernst genommen wurden, "war ein Fehler", gestand Van der Bellen, es seien eher "kommerzielle Entscheidungen" gewesen.

    "Ich habe mich wirklich hinters Licht führen lassen"

    "Das war ein typischer Fehler", so Van der Bellen, "auch für mich", er hätte die Gefahren "sehen müssen". "Wurscht" sei nach seinem Sager, es gebe mit Putin eine gute Gesprächsbasis (ebenfalls 2018), ob Putin schon immer so gewesen sei oder sich in den jüngsten Jahren stark verändert habe. "Ich habe mich wirklich hinters Licht führen lassen" und "ich fühle mich wirklich, wirklich zu 100 Prozent getäuscht von ihm", so Van der Bellen. "Putin hat die ganze Welt aber getäuscht, er hat gelogen am laufenden Band spätestens seit Dezember des Vorjahres".

    War es ein Fehler Österreichs, die neutrale Vermittlerrole zu verlassen und sich den Sanktionen anzuschließen. "Nein", so Van der Bellen, es sei die Botschaft an Putin gewesen und laute bis heute, "wir lassen uns nicht noch einmal von dir hinters Licht führen". Sein "Zähne zusammenbeißen"-Sager zur Teuerung als Rat an Betroffene tat Van der Bellen dagegen ab – wenn er für sein Archiv eine Serie "missverständlicher Zitate" brauche, käme er sicher zu Moderatorin Milborn, ließ er wissen. "War eine blöde Metapher, ja und?", so Van der Bellen. Gemeint wäre gewesen: "Wir haben eine schwierige Zeit vor uns, die wird auch im Frühjahr nicht vorbei sein."

    "Regierung nicht untätig"

    "Wir stehen vor einem großen, großen Umbau der Energieversorgung", attestierte Van der Bellen, der Prozess wäre nicht von heute auf morgen vorüber und Österreich hätte längst auf erneuerbare Energien umstellen sollen. Ob er zufrieden mit den Anti-Teuerungs-Maßnahmen der Regierung sei, wollte Moderatorin Milborn außerdem wissen. Die Regierung sei "alles andere als untätig", das Problem, das er gesehen habe, sei aber, dass man nicht wisse, wann welche Maßnahme wie in Kraft trete und welche Maßnahmen es überhaupt gebe.

    Puls-24-Moderatorin Corinna Milborn im Interview mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
    Puls-24-Moderatorin Corinna Milborn im Interview mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
    Puls 24

    Auch ein Kopftuch-Sager bei einer Veranstaltung der Vertretung der Europäischen Kommission holte Van der Bellen im TV-Interview erneut ein. Er hatte erklärt: "Jede Frau kann ein Kopftuch tragen. Und wenn das so weitergeht (...) bei dieser tatsächlich um sich greifenden Islamophobie wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen – alle! – aus Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun." Dieses Mal legte der Bundespräsident sogar noch nach.

    Neuer Kopftuch-Sager von Van der Bellen

    Warum Van der Bellen sage, "wir", also Frauen, werden sich ein Kopftuch aufsetzen, und nicht selbst eine aufsetze, hakte Moderatorin Milborn nach. "Jo eh. Vollkommen richtig, betrifft die Männer genauso", so Van der Bellens Antwort. Der Anfangssatz sei ihm wichtig gewesen: "Jede Frau soll sich anziehen können, Frisur tragen können, was auch immer, wie sie will. Und nicht, geschweige denn, wie wir Männer wollen". Der Kontext sei damals gewesen, dass 20 bis 30 junge Frauen geschildert hätten, wie sie wegen ihres Kopftuchs auf der Straße angepöbelt worden seien. Die Gleichberechtigung der Frauen sei ein zentrales Thema, auch in seiner politischen Arbeit als Bundespräsident – und davon sei Österreich noch meilenweit entfernt, so der Präsident.

    Werde er jetzt aufgrund der Proteste im Iran (die junge Frau Mahsa Amini wurde im Iran wegen eines angeblich nicht korrekt getragenen Hijabs von der Sittenpolizei festgenommen und mutmaßlich so schwer misshandelt, dass sie an Polizeigewalt starb, Anm.) Frauen in Österreich auch bitten, das Kopftuch aus Solidarität abzulegen statt aufzusetzen? "Hätte keinen Einfluss auf den Iran", so Van der Bellens Antwort. Er sei dafür, das Schicksal von Frau Amini ernst zu nehmen und auch bei uns darüber nachzudenken, "wie wir mit Frauen umgehen" und warum Frauenmorde in Österreich zwar nicht an der Tagesordnung, aber fast an der Wochenordnung stünden.