Innovativ oder Tierquälerei?

Krähen sollen Städte von Tschickstummel befreien

Eine Meldung über Futterautomaten in Schweden, die Krähen fürs Tschickstummel-zurückbringen belohnen, sorgt im Netz für Aufsehen. Was steckt dahinter?
Nick Wolfinger
23.11.2025, 21:38
Loading...
Angemeldet als Hier findest du deine letzten Kommentare
Alle Kommentare
Meine Kommentare
Sortieren nach:

Kommentare neu laden
Nach oben
Hör dir den Artikel an:
00:00 / 02:45
1X
BotTalk

Die Meldung geistert seit Tagen durchs Netz - und begeistert viele Leser: "Ein schwedisches Start-Up hat einen Automaten gebaut, der Müll gegen Futter tauscht - und wilde Krähen haben es schnell verstanden und helfen damit, Milliarden von Zigarettenstummeln im Jahr zu beseitigen". So zu lesen auf der Facebook-Seite von "Animal Watch". Aber auch viele andere Social-Media-Seiten haben die Nachricht aufgegriffen.

Weiters heißt es im Begleittext, dahinter stecke das schwedische Start-Up "Corvid Cleaning" mit Sitz in Södertälje bei Stockholm. Es handle sich um ein Pilotprojekt. Krähen, die ja zu den intelligentesten Vögeln zählen, müssten Zigarettenstummel in einen dafür vorgesehenen Schlitz werfen. Die Maschine könne diese angeblich von Steinen, Blättern oder anderem Müll unterscheiden - und gebe für jeden Tschickstummel eine kleine Menge Futter als Belohnung aus.

75 % weniger Müll auf der Straße

Laut der Stiftung "Keep Sweden Tidy" würden Tschickstummel 62 % des gesamten Mülls auf schwedischen Straßen ausmachen. "Der Einsatz trainierter Wildvögel" könne die "Kosten für die Müllbeseitigung um bis zu 75 % senken", so das Social-Media-Posting. Schließlich wird angemerkt, dass Forscher noch gesundheitliche Bedenken hätten bezüglich des Kontakts der Krähen mit Giftstoffen in den Filtern - die krebserzeugende Substanzen wie Nikotin, Arsen, Blei und polyzyklische Kohlenwasserstoffe enthalten. "Auch die Verhaltenskonsistenz und die langfristige Machbarkeit werden noch evaluiert".

Wer steckt hinter dem Start-Up?

Das "blöde" daran: Die Nachricht, die nun vielfach aufgegriffen wurde, stammt in Wahrheit bereits aus dem Februar 2022. Weitere Recherchen zu "Corvid Cleaning" führen zum Linked-In-Profil von Hans Christian Hanssen, der hinter dem Start-Up steckt. Dort ist das letzte Posting bereits zwei Jahre alt: Ein Suchaufruf nach einem Garten oder Balkon, wo er "Futterstudien" mit Vögeln durchführen könne. Seither hat man nichts mehr von Hanssen gelesen. Auch die Webseite corvidcleaning.com ist längst offline.

In der Versenkung verschwunden

Was wurde also aus dem Projekt? Da sich keine neuen Meldungen zu Hanssen und zur Firma im Netz finden lassen, befindet sich das Ganze entweder immer noch in der Testphase - oder es wurde still und heimlich abgebrochen. Die einzige Spur, dass es das Projekt jemals gegeben hat, ist ein Video vom Juli 2021 - mutmaßlich mit dem Prototypen aus Hanssens Garten- das nun ebenfalls vielfach als "neu" ausgegeben wurde.

Krähen leichter trainierbar als Menschen?

Ob der Tschick-Futter-Automat jemals in einen regulären Betrieb gehen hätte können ist angesichts der Tierschutzbedenken ob der enthaltenen Gifstoffe in den Filtern ohnehin fraglich. Die Debatte um das geplante Verbot von Kunststoff-basierten Zigarettenfiltern in der EU bekommt dadurch jedenfalls zusätzliche Bedeutung.

Der Müllverantwortliche der Kleinstadt Södertalje, Thomas Thernström stellte auch den Ansatz des Projekts in Frage: "Wir können Krähen beibringen Zigarettenstummel aufzuheben, aber wir können Menschen nicht beibringen, diese gar nicht erst auf den Boden zu werfen. Das ist ein interessanter Gedanke", so Thernström.

{title && {title} } NW, {title && {title} } 23.11.2025, 21:38
Weitere Storys
Jetzt E-Paper lesen