Sebastian Kurz ist ein unbescholtener Mann. Ex-Kanzler, mittlerweile zweifacher Familienvater und Unternehmer. Über drei Jahre lang las sich seine Vita in vielen Medien und in der politischen Auseinandersetzung anders. Kurz sei korrupt, er habe vor dem U-Ausschuss gelogen und Österreich deshalb bald einen verurteilten Bundeskanzler, so die spöttischen Zuschreibungen.
Nun ist Kurz zwar nicht mehr Kanzler, aber weiterhin nicht verurteilt. Für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) – jene Chaos-Behörde mit Abgängen am laufenden Band und unterirdischer Verurteilungsquote – ist die Entscheidung der Justiz eine schwere Klatsche.
Am Ende schmolz die von den üblichen Verdächtigen mit viel medialer Begleitmusik aufgefettete Anklage wie Butter in der Sonne. Zwei Aspekte waren bereits im ersten Durchgang vor dem Landesgericht weggefallen, der dritte schließlich am Montag in der nächsten Instanz.
Das mag für Sebastian Kurz eine persönliche Genugtuung sein. Aus seiner Sicht wird der Rechtsstaat am Ende doch noch gesiegt haben. Sein Fall zeigt – vor der Neuauflage in der Chat-Affäre – aber auch, wie wichtig die Unschuldsvermutung ist.
Sie hat für alle Menschen – ob prominent oder nicht – gleichermaßen zu gelten. Auch in Verfahren mit vermeintlichem Glam-Faktor dürfen Vorwürfe keinen Verurteilungen gleichkommen. Niemals sollte in einem Rechtsstaat mit Anzeigen, Anklagen und aus dem Zusammenhang gerissenen Chatnachrichten Politik gemacht werden.
Kurz hatte die finanziellen Möglichkeiten, sich gegen die Anschuldigungen mit einer Armada an Anwälten und Beratern zur Wehr zu setzen. Er konnte sich ein neues berufliches Standbein aufbauen. In vielen anderen Fällen bleiben nach jahrelangem Prozess-Marathon zerstörte Existenzen zurück. Der Kostenersatz ist auch bei rechtskräftigen Freisprüchen beschämend niedrig.