Im Sommer lief eine große Werbetour für die ID Austria. Mittlerweile haben sich 4,8 Millionen Menschen für die Nutzung des digitalen Identitätsnachweises registriert. Doch wie "Newsflix" berichtet, weist die ID Austria auch ein Sicherheitsleck auf.
Denn diese steht auch EU-Bürgern aus dem Ausland offen. Im Gegensatz zur Meldung beim Bezirksamt – hier ist eine Bescheinigung des Vermieters notwendig – ist bei der ID Austria kein Nachweis nötig. "Der Meldepflichtige hat im Zuge des Meldevorganges zu bestätigen, dass der Unterkunftgeber über die Unterkunftnahme informiert wurde. Diese Bestätigung erfolgt durch eine Checkbox, zusätzlich muss der Name und die Adresse des Unterkunftgebers eingetragen werden", heißt es dazu vom Innenministerium.
Es gibt zwar einen Warnhinweis, dass eine Lüge bezüglich des Vermieters eine Verwaltungsübertretung darstellt, aber das war's. Somit kann sich jeder EU-Bürger an jeder beliebigen Adresse in Österreich melden, ohne dass die Richtigkeit überprüft wird. Dass diese Sicherheitslücke ausgenützt wird, zeigt der Fall von Bernhard M. (alle Namen geändert).
Der Endzwanziger schloss mit 1. Dezember einen Mietvertrag für eine Neubau-Wohnung ab. Ordnungsgemäß meldete sich der Wiener an der neuen Adresse an. Er war aber nicht der Einzige, wie er bald feststellen musste. Wenige Tage nach dem Einzug kam ein Schreiben der Wiener Wirtschaftskammer, betitelt mit "Willkommen an Bord – Ihre Reise ins Unternehmertum beginnt". Bernhard M. hatte aber gar kein Unternehmen gegründet.
„Es ist immer mehr geworden. Da habe ich mich schon gefragt, wie das sein kann“Bernhard M.erhielt Post für fremde Personen an seine Adresse
Der Brief war zudem nicht an ihn adressiert, sondern an die wildfremde Person A. – die aber offenbar auch an der gleichen Adresse gemeldet war. "Das hat mich ersten Moment schon etwas stutzig gemacht. Aber da ich habe ich mir noch keine Sorgen gemacht", meint Bernhard M. zu "Heute".
Es blieb nicht beim Schreiben der Wirtschaftskammer: Auch das Finanzamt schickte einen Fragebogen, ein Kommissariat in der Landstraße eine Zeugenladung: "Es ist immer mehr geworden. Da habe ich mich schon gefragt, wie das sein kann", erklärt der Wiener.
Am 8. Dezember wurde dann plötzlich der Briefkasten von Bernhard M. aufgebrochen – er erstattete Anzeige. Der Wiener vermutete einen Meldebetrug, wandte sich an die Polizei. Die erste kontaktierte Inspektion in der City zeigte allerdings kein Interesse: "Des miassn inan mit der Post ausmachen".
Der Besuch bei einer zweiten Polizei-Inspektion im Bezirk Landstraße ergab dann Erstaunliches: Neben Bernhard M. sind noch zwei weitere Personen an der betreffenden Adresse gemeldet, allerdings nicht A. Denn A. ist laut Polizei gar nicht mehr in Österreich gemeldet.
Aber: Er hat an der betreffenden Adresse ein Gewerbe angemeldet. Die Personen B. und C. sind ebenfalls an der Adresse gemeldet, gaben A. als ihren Vermieter an: "Ich habe für zwei Personen Briefe erhalten, es handelt sich um Slowaken", meint Bernhard M.
Die Sache ließ dem Wiener keine Ruhe, er wandte sich erneut an die Polizei – diesmal mit Erfolg: "Ich kann Ihnen mitteilen, dass in zwei Fällen Anzeigen nach dem Meldegesetz von der Polizei gelegt wurden. Diese wurden bereits vom Polizeikommissariat an den Magistrat abgetreten. Dieser ist in weiterer Folge auch für ein Verwaltungsstrafverfahren zuständig", heißt es von der LPD Wien auf "Newsflix"-Anfrage.
Zusätzlich suchte Bernhard M. auch das zuständige Bezirksamt auf: "Ich habe dort meinen Meldezettel gezeigt und das Problem geschildert. Die erste Person wusste nicht, was sie machen soll, ich wurde an die Abteilungsleitung verwiesen. Die Dame kannte offensichtlich derartige Fälle. Sie hat ein Abmeldeverfahren eingeleitet, doch das kann bis zu vier Monate dauern."
Damit war aber nicht aller Tage Abend: Denn auch Person B. dürfte ein Gewerbe ("Überlassung von Arbeitskräften") an der Adresse von Bernhard M. angemeldet haben – wie dieser einem Schreiben der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) entnehmen konnte.
„Die zwei gemeldeten Personen könnten theoretisch einen Schlüsseldienst rufen und dann in meine Wohnung hinein“Bernhard M.Meldebetrugs-Opfer
Die SVS verweist auf "Newsflix"-Nachfrage auf die Zuständigkeit der Gewerbebehörde. Laut Wirtschaftskammer Wien lief die Gewerbeanmeldung nicht über das Gewerbeanmeldeservice. "Insofern können wir nicht sagen, welche konkreten Dokumente/Informationen bei der Gewerbeanmeldung vorgelegt/mitgeschickt wurden. Von den genannten drei Personen haben wir nur eine Gewerbeberechtigung an der genannten Adresse gefunden", heißt es. Bei einer Gewerbeanmeldung dürfte es sich daher um einen Schreibfehler der Topnummer handeln.
Im Fall von Bernhard M. ist zum Glück nichts passiert, aber: "Die Personen B. und C. könnten theoretisch mit der Meldung bei ID Austria einen Schlüsseldienst rufen und dann in meine Wohnung hinein", meint der Wiener. Auch ein Exekutor könnte plötzlich vor der Tür stehen und offene Schulden einfordern, die der Wiener gar nicht gemacht hat.