Im Juli 2025 meldete eine Bau-GmbH Konkurs an – 114 Beschäftigte blieben auf mehreren hunderttausend Euro Lohn sitzen. Die AK Wien reichte Insolvenzanträge ein, um die Ansprüche der Betroffenen geltend zu machen. Doch kaum waren die alten Dienstverhältnisse beendet, setzten viele Arbeiter ihre Arbeit auf denselben Baustellen fort – nur für eine neu gegründete GmbH, die praktisch identisch mit der alten ist.
Der Clou: Die neue Firma firmiert an derselben Adresse, mit denselben Eigentümern und Geschäftsführern – nur der Name wurde minimal geändert, aus "Hanni-Bau" wurde "Nanni-Bau" (Name wegen laufenden Verfahrens geändert). So werden die alten Schulden über den Insolvenzfonds abgewickelt, während die Verantwortlichen weiterhin legal Geld verdienen können. Für die AK ein Musterbeispiel dafür, wie Arbeitgeber im Insolvenzfall ihre Verantwortung umgehen – auf Kosten der Beschäftigten.
"Am Ende fehlen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Ausstehende Löhne und Gehälter werden durch gezielte Insolvenzen auf die Allgemeinheit abgewälzt", warnt Ludwig Dvořák von der AK Wien. Leidtragende seien nicht nur die betroffenen Arbeiter, sondern auch ehrliche Betriebe, die unter unfairer Konkurrenz leiden.
Laut Finanzpolizei verursacht Sozialbetrug durch Unternehmen allein in der Baubranche 350 Millionen Euro pro Jahr. Dazu kommen Firmen, die ihre Leute beim AMS "zwischenparken" und so 700 Millionen jährlich aus der Arbeitslosenversicherung abziehen.
"Leider wurde Unternehmen Sozialbetrug bis jetzt zu einfach gemacht – die Strafen sind zu gering und wirken nicht abschreckend. Sie verursachen großen Schaden und hohe Kosten, die Steuerzahler nicht mehr stemmen können", kritisiert Dvořák.
Genau deshalb gründete die AK Wien Ende 2023 die Stabsstelle Betrugsbekämpfung. Sie schaut nicht nur auf Einzelfälle, sondern versucht, die großen Netzwerke hinter dem Sozialbetrug zu entwirren. Bis Ende August 2025 wurden 105 Fälle bearbeitet. Allein in Wien wurden 50 Anzeigen wegen Unterentlohnung eingebracht – betroffen waren 476 Arbeitnehmer mit offenen Ansprüchen von über 3 Millionen Euro.