Größtes Problem Jobverlust

Massive Schulden – Mann, unter 40 und 86.000 € im Minus

Arbeitsplatzverlust, dann plötzlich Schulden: Die Schuldnerberatung in Niederösterreich verzeichnete 2024 fast 10 Prozent Zuwachs bei Betreuungen.
Aram Ghadimi
18.04.2025, 05:15

Österreich befindet sich seit drei Jahren in einer anhaltenden Rezession. Immer mehr Menschen in können sich grundlegende Lebensbedürfnisse nicht mehr leisten. Ein wachsender Teil der Bevölkerung ist verschuldet.

10 Prozent mehr in Betreuung

"In Niederösterreich ist der Anstieg besonders alarmierend", sagte der Geschäftsführer der Schuldnerberatung NÖ, Michael Lackenberger im März zu "Heute".

Jetzt liegt der "Heute"-Redaktion die Jahresbilanz der Schuldnerberatung NÖ für 2024 vor. Sie zeigt einen Anstieg bei den Betreuungen um fast 10 Prozent.

„Von unseren rund 10.000 Klienten haben maximal zwei bis fünf Prozent ihre Schuldensituation durch übermäßigen oder unkontrollierten Konsum verursacht.“
Michael LackenbergerGeschäftsführer der Schuldnerberatung NÖ

Pro-Kopf-Schulden deutlich gestiegen

"Der durchschnittliche Klient ist männlich, Mitte dreißig bis Anfang vierzig und mit 86.000 Euro verschuldet", sagt Lackenberger.

"Die Menschen kämpfen seit drei Jahren mit den massiven Teuerungen." Dann rechnet der Chef der Schuldnerberatung vor: "Lagen die privaten Schulden im Pro-Kopf-Durchschnitt 2023 noch bei 74.000 Euro, sind es 2024 bereits 86.000 Euro."

2024: Anstieg bei beratenen Personen, Regulierungsverfahren und Gerichtsterminen
Schulderberatung NÖ

Falsche Vorstellungen über Schuldner

Noch immer herrschen diesbezüglich falsche Vorstellungen, die alle Verantwortung den Betroffenen zuschiebt:

"Von unseren rund 10.000 Klienten haben vielleicht maximal zwei bis fünf Prozent ihre Schuldensituation durch übermäßigen oder unkontrollierten Konsum verursacht", sagt Lackenberger, der seit zehn Jahren die Schuldnerberatung NÖ leitet.

"Der Verlust des Arbeitsplatzes ist noch immer die häufigste Ursache für private Verschuldung. Gleich danach kommt die Teuerung, aber auch Schicksalsschläge und Scheidungen tragen dazu bei", sagt der Chef der Schuldnerberatung.

Oft kämen mehrere Auslöser zusammen. Die aktuelle wirtschaftliche Lage stelle besonders einkommensschwache Haushalte und andere vulnerable Gruppen vor großen Herausforderungen.

Energiepreise als Problem

Die Inflation stieg in Österreich Anfang 2025 auf 3,2 Prozent – unter anderem getrieben durch steigende Energiepreise und durch das Auslaufen der Unterstützungsmaßnahmen (Strompreisbremse). Auch die Ökostromförderkosten werden wieder eingehoben.

Gleichzeitig sind die Netzkosten kräftig gestiegen. "Die meisten unserer Klienten wohnen in Mietwohnungen und können sich daher nicht aussuchen, wie sie die Energie beziehen", sagt Lackenberger dazu.

Kräftigste Rezession aller EU-Länder

Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO, ist das österreichische Bruttoinlandsprodukt 2024 um 1,2 Prozent gesunken – noch stärker als 2023 (1 Prozent). Alleine im vierten Quartal 2024 sei die Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent zurückgegangen:

"Damit verzeichnete Österreich die kräftigste Rezession unter allen EU-Länder", schreibt das WIFO in seiner aktuellen Konjunkturprognose. Jede Woche kommt es zu Insolvenzen, weil neben privaten Haushalten auch viele Unternehmen verschuldet sind. Die Folge davon sind Arbeitsplatzverluste.

Es werde gerne von vielen so dargestellt, als seien lediglich die Betroffenen schuld an ihrer Lage: "Jetzt überlege einmal, wenn du den Job verlierst, oder Unterhalt zahlen müsstest, ob es sich dann noch ausgehen kann – das sage ich jedem, der meint, die Leute sind selbst schuld", führt Lackenberger aus.

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Finanzbildung gegen unüberschaubare Zinsen

Mittlerweile habe die Politik erkannt, dass Finanzbildung in jungen Jahren wichtig sei, sagt Lackenberger gegenüber "Heute". "Dabei geht es aber nicht, wie man vielleicht annehmen möchte, um Anlagestrategien am Aktienmarkt, sondern vielmehr darum, wie man sich vor versteckten Kosten, den Verkaufstricks von Online-Giganten oder hohen Zinsen schützen kann."

Letzter Weg Privatkonkurs

Gerade der letzte Punkt sollte zu denken geben: "Die Banken haben jahrelang sehr freizügig Kredite vergeben. Jetzt sehen wir, dass es nahezu keinen Klienten gibt, bei dem nicht eine Bank der Hauptgläubiger ist", sagt Lackenberger und rät zu Vorsicht bei überzogenen Konten:

"Wenige wissen überhaupt, welche Zinseszinsen anfallen können und dass die Bank, zum Beispiel bei einem Einkommensrückgang, jederzeit eine Fälligstellung verlangen kann. Dann bleibt nur noch der Privatkonkurs."

Keine schnelle Entschuldung mehr

Doch auch hier gibt es ein Problem: Mitte 2026, konkret am 17. Juli kommenden Jahres, fallen die derzeitigen Regelungen dazu. Während Unternehmen weiterhin in drei Jahren entschulden können, dürfte das für Privatpersonen bald wesentlich länger dauern.

"Mindestens fünf Jahre, wenn kein neuer Beschluss dazu kommt", sagt Lackenberger abschließend und warnt: "Dann werden wir bei der Schuldnerberatung überrannt werden."

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