Politik

Mehr Verurteilungen und Beweise sollen Frauen schützen

Nach dem jüngsten Frauenmord in Österreich tritt die Regierung zum Sicherheitsgipfel zusammen, um Frauen und Mädchen besser vor Gewalt zu schützen. 

Rene Findenig
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Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) läuteten den Sicherheitsgipfel ein.
Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) läuteten den Sicherheitsgipfel ein.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Innenminister Karl Nehammer, Frauenministerin Susanne Raab und Justizministerin Alma Zadić traten am Montagnachmittag mit den neun Landespolizeidirektoren im Innenministerium zum Sicherheitsgipfel zusammen. Der Grund: Der mittlerweile neunte Frauenmord innerhalb dieses Jahres in Österreich. In keinem anderen Land der EU werden mehr Frauen ermordet als Männer. "Die Zahl an Frauenmorden in Österreich ist viel zu hoch. Wir haben uns vorgenommen, dass wir gemeinsam etwas unternehmen können", so Innenminister Nehammer.

Von "polizeilicher Seite" sei eine "ganz wichtige Botschaft": "Wenn Frauen sich und ihre Kinder bedroht fühlen, dann gibt es eine Nummer, die tatsächlich helfen kann, das ist der Polizeinotruf", so Nehammer. Nur ein Mal sei es bei den neun Mordfällen möglich gewesen, polizeiliche Maßnahmen im Vorfeld zu treffen, so Nehammer. Ziel sei es auch, "dass wir die Fallkonferenzen deutlich steigern". Alle neun Landespolizeidirektoren würden beim Gipfel vertreten sein, um das Risiko eines Mordes zu reduzieren. Eine Maßnahme seien mehr Präventionsbeamte, 300 neue an den Inspektionen soll es geben. Und: Die Polizei müsse Informationen über Stalker rechtzeitig an Opferschutzorganisationen weitergeben dürfen, so Nehammer.

"Mein Ziel ist es, dass Frauen in Österreich sicher sind, egal ob sie abends laufen gehen, ausgehen oder in den eigenen vier Wänden"

Familienministerin Raab zeigte sich aufgrund der Frauenmorde "zutiefst betroffen", sie seien "nur die Spitze des Eisbergs an Gewalt, die Frauen erleben müssen". Raab: "Mein Ziel ist es, dass Frauen in Österreich sicher sind, egal ob sie abends laufen gehen, ausgehen oder in den eigenen vier Wänden." Die Ministerin merke in Gesprächen mit Hilfsstellen, dass sich viele Frauen als Opfer von Gewalt schämen würden, sich Hilfe zu suchen.

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    "Ruhe in Frieden" oder "Nicht einer mehr. Nicht eine weniger" steht auf Zetteln, die Trauernde nach dem neunten Mord an Frauen in diesem Jahr am jüngsten Tatort in Wien hinterlassen haben.
    "Ruhe in Frieden" oder "Nicht einer mehr. Nicht eine weniger" steht auf Zetteln, die Trauernde nach dem neunten Mord an Frauen in diesem Jahr am jüngsten Tatort in Wien hinterlassen haben.
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    "Jede Frau in Österreich soll wissen, dass sie niemals schuld ist an Gewalt, dass sie keine Gewalt erdulden muss", so Raab. Geplant sei auch eine Sensibilisierungskampagne, das Budget im Frauenbereich sei in den jüngsten 1,5 Jahren um 50 Prozent erhöht worden. Heute würde der erste Schritt mit der Polizei gemacht, nächste Woche soll es dann einen Runden Tisch im Frauenministerium mit Opferschutzeinrichtungen geben. Man müsse auch den "Blick hinter die Taten wagen", so Raab, es müsse mehr Motivforschung ob zu Alkohol, Drogen, Missbrauch oder ehrkulturellen Motiven geben.

    "Ein Mord steht immer am Ende einer Gewaltspirale. Da sind Männer und Frauen gefordert, diese Spirale zu durchbrechen, damit am Ende nicht ein Mord steht"

    "Es ist der neunte Frauenmord in Österreich, das sind im Monat zwei Frauen, die ermordet werden", so Justizministerin Zadić. Ein Mord stehe "immer am Ende einer Gewaltspirale. Da sind Männer und Frauen gefordert, diese Spirale zu durchbrechen, damit am Ende nicht ein Mord steht". Es gelte, vorher schon anzusetzen, "nicht erst, wenn etwas passiert ist". Die Ministerin sei auch froh, dass jetzt eine Männerkampagne gestartet wurde.

    "Männer müssen sich Hilfe suchen, wenn sie wissen, dass sie die Gewalt nicht mehr im Griff haben", so Zadić. Man werde nicht alles verhindern können, aber man könne diese Gewaltspirale durchbrechen, so die Ministerin. Wichtig sei, Beweise besser zu sichten und sichern, denn: "Wir haben zu wenige Verurteilungen." Es werde außerdem auch bei den Ausbildungen bei Richtern und Staatsanwälten Sensibilisierungen geben. "Neun Morde sind einfach neun Morde zu viel", so Zadić.

    Das Maßnahmenpaket im Überblick

    In jeder Polizeiinspektion sollen künftig speziell geschulte Polizistinnen als Sicherheitsbeauftragte und Ansprechpartnerinnen für Frauen speziell im Bereich Gewalt und Gewaltschutz zur Verfügung stehen und proaktiv mit den Opferschutzeinrichtungen vernetzt sein. Diese rund 800 Beamtinnen und Beamten verfügen über eine spezifische Ausbildung im Bereich der Gewaltprävention. Auf Initiative von Frauenministern Raab und Justizministerin Zadic soll nächste Woche mit Expertinnen und Experten der Gewaltschutzeinrichtungen und den Ministern der zuständigen Ressorts Soziales, Inneres, Frauen und Justiz ein Runder Tisch im Bundeskanzleramt stattfinden, um über die Maßnahmen zu beraten und die Zusammenarbeit zu intensivieren, heißt es außerdem.

    Bei Stalkingvorfällen sollen nach einer Anzeige die Opfer proaktiv von Gewaltschutzeinrichtungen kontaktiert werden können. Seit 1.1.2020 sind die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen gesetzlich verankert. Die Umsetzung soll nun durch entsprechende Dienstanweisungen an die Landespolizeidirektoren in ganz Österreich verstärkt werden. Das Frauenministerium und das Bundeskriminalamt geben gemeinsam außerdem eine qualitative Untersuchung aller Tötungsdelikte an Frauen in den vergangenen zehn Jahren in Auftrag. Damit sollen wichtige Erkenntnisse über polizeiliche Maßnahmen vor Tötungsdelikten, über die Täter und über die Motivlage gewonnen werden.

    Bereits während des ersten Lockdown starteten Frauenministerin Raab und Innenminister Nehammer eine umfassende Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagne gegen häusliche Gewalt, damit jede Frau weiß, dass sie einen Zufluchtsort hat, wo sie bereits bei den ersten Anzeichen von Gewalt Schutz findet. Diese Informationskampagne gegen Gewalt in der Privatsphäre von Bundeskanzleramt und Innenministerium wird nun intensiviert.

    Beweise eines Verfahrens sollen zusätzlich bestmöglich gesichert und so die Verurteilungswahrscheinlichkeit erhöht werden. Um das zu erreichen, werden Maßnahmen zur Sicherung von Beweismitteln angeregt. So soll etwa erhoben werden, ob und wann der Beschuldigte bereits früher mit Vorfällen familiärer Gewalt im Zusammenhang stand oder ob gegen diesen bereits ältere Anzeigen vorliegen. Und: Forcierung der kontradiktorischen Einvernahme in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungstätigkeit. Bei einer solchen wird die Einvernahme der Betroffenen vor der Verhandlung per Video aufgezeichnet. Dadurch kann ein Zusammentreffen der Betroffenen und des Beschuldigten bei Gericht vermieden werden.

    Die wichtigsten Nummern gegen Gewalt auf einen Blick:
    Polizei-Notruf: 133
    Euro-Notruf: 112
    24-Stunden-Frauennotruf der Stadt Wien: 01/71719
    Frauenhaus-Notruf: 05 77 22

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